Das elfte Gebot
als er die äußere Tür erreicht hatte, fiel ihm seine Abmachung mit Mort wieder ein; Marian würde ihn erwarten. Doch es war schon zu spät, einen anderen Ausgang zu benutzen. Das Mädchen stieß einen kehligen Ruf aus und kam besitzergreifend auf ihn zu. Wenn Ellen es bemerkte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Sie sah nicht zurück.
Marian war ein Mädchen, das auch unter den besten Umständen ein Problem hätte sein können, und Boyd war überdies überhaupt nicht in der Stimmung, sich mit ihrer aggressiven Art abzugeben. Das schien allerdings keine Rolle zu spielen. Sie benahm sich so, als sei er einfach ein wenig schüchtern, weshalb sie selbst die Initiative zu übernehmen hätte. Ihr belangloses Geschnatter schien niemals enden zu wollen. Er fühlte sich schuldig wegen dieser Sache. Das Seltsame war nur, sie schien offensichtlich in dem Glauben zu handeln, daß Boyd an ihr Gefallen gefunden und Mort daher als Vermittler gesandt hätte. Doch wenn sie auch eine Freundin Morts war, so hatte sie dennoch nichts Dirnenhaftes an sich. Am Ende gab er nach. Er hatte schon genug Ärger verursacht, und er wollte nun nicht auch noch Marian verletzen, schon gar nicht wegen einer so unbedeutenden Angelegenheit. Wie er schnell herausfand, hatten nicht alle Mädchen auf der Erde Ellens Moralvorstellungen. Einmal in seinem Apartment angekommen, schlüpfte sie sehr schnell aus ihrem Kleid und enthüllte ihm ihre nicht unerheblichen Reize.
Sie schien hinterher ein wenig enttäuscht von Boyd und den marsianischen Männern zu sein, obwohl er sein Bestes getan hatte. Doch sie war verständnisvoll und verbarg ihre Enttäuschung, sie küßte ihn in der freundschaftlichsten Weise, als sie am Morgen ging. Doch zu seiner großen Erleichterung machte sie kein weiteres Rendezvous mit ihm aus.
Nur Pete schien glücklich über dieses Abenteuer zu sein. Er hatte schon begonnen, sich über Boyds Gesundheitszustand Sorgen zu machen, doch nun war er wieder sichtlich beruhigt.
Irgendwie ging das Leben weiter. Boyd beendete den Bericht über die Hefezellen mit negativen Resultaten und beteiligte sich an den anderen Laborprojekten. Wie er herausfand, war er recht gut im raschen Identifizieren von Gen-Schablonen, und mit Hilfe seiner Bücher bemühte er sich nach Kräften, diese Fähigkeit noch zu verbessern.
Schließlich wurde die Monotonie unterbrochen. Ein Minenschiff hatte eine seltsame neue Art von blauem Seetang auf einer Insel gefunden, und die Besatzung war außerstande, die Proben ordentlich zu transportieren und zu behandeln. Boyds Mikroskop bot die einzige Möglichkeit einer sorgfältigen Untersuchung direkt am Fundort, daher wurden er und Ben, zusammen mit einem Team Biologen, zu der Insel geflogen.
Es war Boyds erster Flug, denn die dünne Atmosphäre des Mars erlaubte keinen Luftverkehr. Es war gleichzeitig eine große Überraschung für ihn, denn er hatte nicht geglaubt, daß die Technologie der Erde in der Lage wäre, so etwas zu bauen. Sowohl das Flugzeug selbst als auch der Motor schienen handgearbeitet zu sein, dennoch war der Flugkörper überaus perfekt; man war fast versucht, wider besseres Wissen an eine maschinelle Herstellung zu glauben. Wie er erfuhr, waren etwa hundert solcher Flugzeuge für die Kirche und die Regierung im Einsatz.
Sie flogen in geringer Höhe über den Hafen hinweg, und er sah die zerschmolzenen Ruinen Manhattans. Er war überrascht angesichts des regen Schiffsverkehrs, der noch immer auf dem Hudson herrschte. Zudem gab es viele Hausboote, die sich an den Ufern des Flusses, bis hin zum fernen Meer erstreckten. Und hier waren auch die Algenfarmen, fruchtbar gemacht durch die Minerale, die von den großen unterseeischen Kraftwerken hochgepumpt wurden. Ben deutete auf die Fermentierungströge, in denen Hefe die Algenabfälle zu Alkohol vergor; offensichtlich lag hier teilweise der Grund für den Gestank, der wie eine Glocke über der ganzen Stadt hing.
Das erste, was ihm auf der Insel auffiel, war das Schiff. Es war mindestens hundertzwanzig Meter lang und aus Aluminiumerzen und Fiberglas erbaut. Obwohl es über einen Alkoholmotor verfügte, hatte es auch eine beachtliche Anzahl von Segeln, die an vier schlanken Masten befestigt waren. Das Deck war übersät mit Ausrüstungen, um die begehrten Manganknollen vom Grund des Ozeans hochzupumpen. Es lief aus, sobald das Flugzeug ankam, und die Segel wurden vom Wind aufgebläht. Die Schönheit dieses grazilen Gebildes übertraf alles, was
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