Das Ende aller Tage
ich habe eine Maske übergestülpt und sehe und höre dasselbe wie Sie. Ich werde jetzt einschalten.«
Aus der Dunkelheit schälte sich ein blasiger Klumpen, dessen Blasen, Weintrauben ähnlich, sich fortwährend teilten und vervielfachten, als sprudelten sie aus einem unerschöpflichen Rohr. Lichtreflexe auf ihren Oberflächen spannen ein schimmerndes Gewebe, das den Vorgang teilweise verschleierte.
»Zellenbildung«, sagte Jandanaggers entfernt klingende Stimme. »Sie wohnen dem Beginn eines neuen Lebens bei.«
Wie ein Vorhang an einem offenen Fenster zitterten die Zellen hinter ihrem Schleier. Der Ursprungsmoment des neuen Organismus war nicht erkennbar. Man sah nur, daß der Schleier jetzt etwas zu verbergen hatte; seine Durchsichtigkeit trübte sich, die Oberfläche des Zellengebildes ebnete sich ein, und ein blinder Wille formte es zu klareren Umrissen. Es war nicht länger schön.
Der wachsende Fötus erfüllte Farros Maske, der mit ihm zu verschmelzen glaubte. Das Gebilde zuckte und krümmte sich, wurde vom Wurm zu einem fischähnlichen Wesen mit Kiemen und einem Schwanz. Dann, nicht mehr fischähnlich, erkletterte es die steile Leiter der Evolution über mausartige, schweinartige Formen bis zur Menschenähnlichkeit.
Nun veränderte sich die Umgebung. Der Fötus wurde zu einem Säugling, und der Säugling konnte nur durch tausend neue Stimulantia ein Mann werden. Und alle diese Stimulantia – tierischer, pflanzlicher oder mineralischer Herkunft – lebten gleichfalls, auf ihre Weise. Sie setzten den heranwachsenden Menschen ständigen Herausforderungen aus; einige von ihnen, selbst Organismen, drangen in seinen Körper ein und vollendeten in ihm ihre eigenen Lebenszyklen. Andere waren wie Wellen, die unaufhörlich durch seinen Körper fluteten. Der Mensch schien kaum noch eine Einheit zu sein, bloß ein Brennpunkt von widerstrebenden Kräften, die ihn ständig mit Auflösung bedrohten.
»Und nun wechselt der Mensch wiederum seine Umgebung und verläßt seinen Planeten«, erläuterte Jandanagger.
Aber der Raum war nicht, was Farro sich darunter vorgestellt hatte. Er war nicht die Leere und das Nichts, sondern ein unentwirrbares Geflecht aus Kräften, ein sich kreuzendes, überlagerndes und gegenseitig aufhebendes Geschiebe aus Kraftfeldern und Energien, ein Netz wie aus Spinnweben, in dem Sterne und Planeten wie Tautropfen hingen. Kein Leben war hier, nur das gleiche Spiel von Wirkung und Gegenwirkung, das den Menschen von Anfang an begleitet hatte und aus dem sogar er selbst bestand. Nichtsdestoweniger erreichte sein Begriffsvermögen ein neues Stadium, das Licht der Bewußtheit brannte stetiger.
Wieder griff er hinaus, diesmal nach den Grenzen seines galaktischen Systems. Um ihn her veränderten sich die Proportionen, glitten vorbei, schrumpften zusammen. Am Anfang war der Mutterleib sein Universum gewesen, ausgestattet mit allen Bedrohungen und allem Zwang eines Universums. Nun wurde das galaktische System kleiner als der Mutterleib – ein Goldfischglas, in dem ein kümmerlicher kleiner Fisch schwamm, der nichts vom Unterschied zwischen Luft und Wasser wußte. Denn nichts überspannte die Räume zwischen den galaktischen Systemen. Dort war das Nichts. Und nie zuvor war der Mensch dem Nichts begegnet.
Als er zur Oberfläche emporschwamm, regte sich hinter dem gelben Rand etwas. Das Etwas war kaum zu sehen, aber es war dort draußen, wachsam und gefährlich, eine Kreatur mit Sinnen, obgleich empfindungslos. Farro registrierte es halb als Anblick, halb als Geräusch: eine manchmal verzögerte Serie dumpfer, kurzer Geräusche, wie das Platzen von Arterien.
Die Kreatur wartete auf den Menschen. Sie dehnte und streckte sich rings um den Spiralnebel, um das Goldfischglas.
Farro trat der Angstschweiß auf die Stirn. Er zitterte.
»Es tut mir leid«, sagte er schwach, als Jandanagger ihm die Maske abnahm. »Es tut mir leid.«
Der Minister legte ihm die Hand auf die Schulter. Schaudernd rieb Farro sein Gesicht mit beiden Händen, um das jetzt widerwärtige Kontaktgefühl der Maske zu vertreiben. Das Ding jenseits des galaktischen Systems schien in sein Gehirn eingedrungen zu sein und dort einen dauernden Platz gefunden zu haben.
Schließlich riß er sich zusammen und stand auf. Das Schwächegefühl in ihm war übermächtig. Er befeuchtete seine Lippen.
»Also wollen Sie uns in die Föderation locken, damit wir uns diesem – diesem Etwas gegenübersehen!«
Jandanagger nahm seinen Arm.
»Kommen Sie
Weitere Kostenlose Bücher