Das Ende aller Tage
ständigen Wandlungen unterworfen gewesen; aber nun kam der furchtbare Augenblick, da er sich selbst in einem völlig neuen Licht sah.
Es ist nützlich, durch dieses nächste Fragment erinnert zu werden, daß – obwohl das Universum in den Händen der Menschen zu sein schien – die Menschheit niemals allein oder unbeobachtet war. Immer gab es Dinge, die sehen konnten, obgleich sie keine Gesichter hatten, die verstehen konnten, obwohl sie keine Gehirne besaßen.
*
Es war ein Unfall, wie er überall und jederzeit passieren konnte. Der Unterwasserfrachter Bartlemeo näherte sich in vierhundertneunzig Faden Tiefe dem Unterwasserhafen Kapverde, als er einen Maschinenschaden hatte. Ich bin kein Techniker, deshalb kann ich den Schaden nicht genau beschreiben; Uranstäbe, die langsam in den Verbrennungsreaktor eingeschoben werden, hatten sich beim Auswechseln im Verteilermechanismus verfangen, der die ausgebrannten Stäbe in die Separatoren zu schießen hat. Statt den Schaden mit ferngesteuerten Werkzeugen zu beheben, ging der erste Ingenieur, ein Mann namens Je Regard, selbst hinein, um den Zugang zur Separatorenkammer frei zu machen. Als er durch die Inspektionsluke einstieg, blieb sein Schutzanzug an einem Bolzen hängen, ohne daß er es bemerkte. Er konnte den Schaden beheben, brach jedoch fünf Minuten später zusammen.
Die Bartlemeo hatte keinen Arzt an Bord. Sofort wurde ein Notruf gesendet.
Ich sagte bereits, daß ich kein Techniker bin; und ich bin auch kein Philosoph. Trotzdem sehe ich in dieser trivialen Episode, die den Beginn jahrhundertelanger Konflikte markierte, das Muster all jener großen Entwicklungen, deren Anfang unbedeutend erscheint.
*
Inmitten der Sahara erhebt sich das Gebirge von Ahaggar wie ein Schlachtschiff aus dem Dünenmeer. Am Rand des gleichnamigen Plateaus steht das Institut für medizinische Meditation, ein altehrwürdiges Gebäude im Stil der großen einundfünfzigsten Epoche. Von Palmen umstanden, die den breiten, gepflasterten Wegen Schatten spenden, reckt es seine Türme und Obergeschosse weithin sichtbar über die Wipfel hinaus in den fahlen, heißen Himmel.
Gerund Gyres stand schwitzend vor dem Hauptportal des Instituts und wartete. Seine Flugmaschine war in einiger Entfernung auf dem Landeplatz abgestellt. Bescheiden wartete er in der Gluthitze, obwohl er ein stolzer Mann war; kein Laie hatte in Barbe Barber, wie das Institut genannt wurde, Zutritt.
Nach langer Wartezeit erschien die Gestalt oben auf der breiten Freitreppe. Es war seine Frau Cyro. Sie wandte sich um, als verabschiedete sie sich von jemandem hinter ihr, kam dann die Treppe herunter. Wie immer, wenn Gerund sie hier abholte, hatte er ein merkwürdiges Gefühl; es war, als ob sie ein Kloster verließe und ihre Gedanken gewaltsam davon losreißen und der Außenwelt zuwenden müßte. Während er sie voll Liebe und Besorgnis beobachtete, schien sie etwas zu merken, denn ihr Schritt wurde schneller, und sie nahm ihre Schultern zurück. Als sie vor Gerund stand, lag der gewohnte Ausdruck distanzierter Belustigung in ihren Augen.
»Es ist, als hätte ich dich seit Wochen nicht gesehen«, sagte Cyro. Sie legte ihre Hände auf seine Schultern und hauchte ihm einen Kuß auf den Mund.
»Es ist Wochen her«, sagte er.
»Tatsächlich?« fragte sie amüsiert. »So lange kommt es mir nicht vor.«
Gerund nahm ihre Hand und führte sie zum Landeplatz, wo das gedrungene Dreieck ihrer Flugmaschine stand. Die vier Wochen der Meditation, die Cyro als Ärztin jedes Jahr einmal auf sich nehmen mußte, waren unzweifelhaft ein Segen für sie. Cyro sah jünger und vitaler aus als je zuvor.
Cheddi, ihr Diener, lehnte mit geduldig verschränkten Armen am heißen Metallrumpf der Maschine. Wie sie näherkamen, öffnete er die Tür und lächelte. »Es ist fein, Sie wiederzusehen, Doktor Cyro«, sagte er.
»Ganz meinerseits, Cheddi. Sie sehen braun aus.«
Cheddi lächelte breit. »Gut durchgebacken.« Seine Heimat war eine neblige nördliche Insel, die den größten Teil des Jahres mit Schnee bedeckt war. Das Leben in Äquatornähe behagte ihm. Obwohl er seine Insel schon vor dreißig Jahren verlassen hatte, sprach er immer noch ihre einheimische Mundart, ein einfaches Patois. Er war unfähig, sich Galingua anzueignen, die Sprache, die Gerund, Cyro und die meisten zivilisierten Leute ihrer Zeit sprachen.
Sie gingen an Bord und nahmen ihre Sitze ein, Cheddi den des Piloten. Er war ein grobknochiger, langsamer Mann mit
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