Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
Vom Netzwerk:
Straße. Cheddi war sofort auf den Füßen. Das kalte Entsetzen überzog seinen Körper mit prickelnden Schauern. Kaum hatte er den lähmenden Schreck überwunden, drehte er um und rannte zur Krankenzelle. Wie von selbst brachte sein Instinkt das Ungeheuer mit jenen in Verbindung, denen er diente.
    Die Zelle war leer.
    »He, was soll das heißen?« fragte eine Stimme hinter ihm. Der graubärtige Alte war unbemerkt zurückgekehrt und blickte nun über Cheddis Schulter. Sowie er die leere Zelle sah, zog er eine Trillerpfeife aus der Tasche und begann wild hineinzublasen.
     
    *
     
    Richter: »Sie wollen das Verschwinden Ihrer Herren mit der Möglichkeit erklären, sie seien von diesem Ungeheuer verschlungen worden, das Sie gesehen zu haben glauben?«
    Cheddi: »Das habe ich nicht gesagt, Herr. Ich weiß nicht, wohin sie gegangen sind. Ich sage nur, daß ich gesehen habe, wie dieses Ding aus dem Hospital tappte, und dann waren sie fort.«
    Richter: »Sie haben gehört, daß im ganzen Hafen niemand außer Ihnen ein solches Monstrum beobachtet hat. Sie haben ferner die Zeugenaussage des Hospitalwachmannes gehört, nach der er kein Ungeheuer gesehen hat. Warum beharren Sie auf dieser märchenhaften Version?«
    Cheddi: »Ich kann nur sagen, was geschehen ist.«
    Richter: »Sie sind verpflichtet, die Wahrheit zu sagen.«
    Cheddi: »Das ist die Wahrheit! Ich habe nichts zu verbergen. Ich hatte meinen Herrn gern. Ich wäre niemals imstande gewesen, ihn oder seine Frau umzubringen.«
    Richter: »Das haben Diener schon häufiger erklärt, nachdem ihre Herren tot waren. Wenn Sie unschuldig sind, warum haben Sie dann einen Fluchtversuch unternommen, als der Wachmann nach der Polizei pfiff?«
    Cheddi: »Ich war ganz durcheinander, Herr, können Sie das nicht verstehen? Ich hatte Angst. Ich hatte dieses Ding gesehen, und dann hatte ich die leere Zelle gesehen, und dann fing der alte Trottel an zu pfeifen. Ich – ich schlug ihn nieder, ohne überhaupt nachzudenken. «
    Richter: »Das spricht nicht dafür, daß Sie ein verantwortlicher Mensch sind, Angeklagter. Wir haben bereits der Zeugenaussage entnehmen müssen, daß Sie dem Wachmann gleich nach Ihrer Ankunft im Hospital mit Gewalttätigkeiten gedroht haben.«
    Cheddi: »Und ich habe Ihnen erklärt, warum ich es getan habe.«
    Richter: »Sie begreifen hoffentlich den Ernst der Lage, in der Sie sich befinden? Sie sind ein einfacher Mensch, und so will ich es Ihnen mit einfachen Worten sagen: Sie sind des Doppelmordes an Ihrem Herrn und seiner Frau angeklagt, und bis ihre Körper aufgefunden werden oder weiteres Beweismaterial vorliegt, werden Sie in Untersuchungshaft bleiben.«
     
    *
     
    Vom Unterseehafen gab es zwei Möglichkeiten, das Tageslicht zu erreichen, den Seeweg, den die Bartlemeo und die Flugmaschine genommen hatten, und den Landweg. Eine unterirdische Zahnradbahn überwand in einem engen Tunnel die eintausend Meter Höhenunterschied zwischen der Stadt am Meeresgrund und Praia, der Inselhauptstadt von Satago. Auf diesem Weg wurde Cheddi ins Gefängnis überführt.
    Sein Zellenfenster gewährte ihm Ausblick auf einen staubigen Gefängnishof, in dem ein einzelner Affenbrotbaum spärlichen Schatten verbreitete. Außerdem konnte er, wenn er den Hals reckte, über niedrige Dächer hinweg einen kleinen Sektor des Ozeans sehen. Es war gut, wieder über der Erde zu sein, obwohl im Gefängnis eine dumpfheiße Treibhausatmosphäre herrschte, die von keinem frischen Luftzug belebt wurde. Cheddi schwitzte ständig. Weil er sonst nichts zu tun hatte, verbrachte er einen großen Teil seiner Zeit damit, auf seiner hölzernen Pritsche zu stehen und in die Hitze hinauszustarren. Oft hörte er andere Gefangene bei den Rundgängen im Hof miteinander reden, aber sie taten es in der »Lingua Crioula«, dem örtlichen Dialekt, und Cheddi verstand kein Wort davon.
    Am Abend des zweiten Tages war er wieder auf seinem gewohnten Ausguck, als ein Wind aufkam. Er blies heiß vom Festland herüber und fegte die dunstige Wolkenschicht fort, die den ganzen Tag über der Insel gelegen hatte. Der diensthabende Wächter, ein bulliger kleiner Mann mit dickem schwarzem Schnurrbart, erschien auf dem Hof, schnüffelte die Luft und fand sie offenbar zufriedenstellend, denn er schlenderte zu der Steinbank unter dem Affenbrotbaum. Nachdem er sie sorgfältig mit seinem Taschentuch abgestaubt hatte, streckte er sich darauf aus.
    Auf der Mauer hinter dem Wächter entstand eine Bewegung. Ein Ding wie eine

Weitere Kostenlose Bücher