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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Nun sind die Zellen über diese Formgebundenheit, die wir Mensch nennen, hinausgewachsen; sie haben seine Möglichkeiten erschöpft und gehen zu etwas anderem über.«
    Auf dies schien es keine Erwiderung zu geben, und so saß ich schweigend da, nippte von meinem Wein und sah die Schatten länger werden. Von den Bergen breiteten sie sich über Meer und Stadt aus. Ich fröstelte noch immer, aber meine Hände zitterten nicht mehr.
    »Haben Sie sonst keine Fragen?« forschte Gerund Gyres. In seiner verquollenen Stimme klang etwas wie Verwunderung an.
    »Doch«, sagte ich. »Nur eine Frage. Sind Sie glücklich?«
    Die Stille breitete sich gleich den Schatten bis zum Horizont aus.
    »Ich meine«, ergänzte ich nach langer Pause, »wenn ich bei der Schaffung einer neuen Gattung ein Wort mitzureden hätte, würde ich etwas zu machen versuchen, das besser als der Mensch imstande ist, Beglückung zu empfinden. Es gibt eine göttliche Unzufriedenheit, aber eine göttliche Zufriedenheit ist nur den Tieren auf der Weide gegeben, die ihr Gras rupfen und dabei ohne Unterschied Schnecken und Heuschrecken mitverschlingen. Je intelligenter ein Mensch ist, desto offener ist er für Zweifel aller Art. Umgekehrt ausgedrückt, je dümmer er ist, desto wahrscheinlicher fühlt er sich mit seinem Los zufrieden. Darum frage ich, sind Sie, die neue Gattung, glücklich?«
    »Ja«, sagte Gerund. »Bisher bestehe ich nur aus drei Menschen: Regard, Cyro, Gerund. Die beiden letzteren haben seit Jahren nach voller Integration gestrebt – wie es alle menschlichen Paare tun –, und nun haben sie sie gefunden, eine vollkommenere Integration, als sie jemals zuvor möglich war. Was Menschen instinktiv suchen, hat in uns Erfüllung gefunden. Wir können nie anders als glücklich sein, ganz gleich, wie viele Menschen wir absorbieren.«
    Ich gab mir große Mühe, meine Fassung zu bewahren. »Dann sollten Sie jetzt anfangen, mich zu absorbieren«, sagte ich, »denn das muß wohl Ihre Absicht sein.«
    »Mit der Zeit werden alle menschlichen Zellen unter das neue Regime kommen«, antwortete Gerund. »Aber zuerst muß die Nachricht von diesem Geschehen verbreitet werden, damit die Leute empfänglich werden. Jeder muß davon wissen, damit wir den Absorptionsprozeß ausführen können. Das ist Ihre Aufgabe. Sie sind ein zivilisierter Mensch, Direktor. Zuerst müssen Sie Pamlira schreiben und ihm erklären, was vorgefallen ist. Es wird ihn interessieren.«
    Er machte eine Pause. Drei Wagen kamen die Straße herauf und bogen in die Haupteinfahrt zum Gefängnis ein. Cheddi hatte also doch soviel Intelligenz, daß er um Hilfe gelaufen war.
    »Angenommen, ich verweigere Ihnen die Unterstützung?« fragte ich. »Warum sollte ich das Aussterben der Menschheit fördern? Angenommen, ich mache den galaktischen Rat auf die Gefahr aufmerksam und veranlasse ihn, diese ganze Insel in die Luft zu jagen? Es wäre eine einfache Sache.«
    Wir waren plötzlich von Schmetterlingen umgeben. Ich versuchte sie durch Handbewegungen zu verscheuchen und stieß meine Weinflasche um. Die Luft war mit Tausenden von Schmetterlingen erfüllt; der dämmerige Abendhimmel verwandelte sich in eine einzige flatternde Wolke. Die wütendsten Bewegungen konnten sie nicht verjagen.
    »Was ist das?« blubberte Gerund. Zum erstenmal sah ich persönlich, wie er sich verformte. Seinem Körper entwuchs ein neues Organ, mit dem er sich der zarten Gebilde zu erwehren suchte. Es entsproß dem, was vorher sein Ohr gewesen war, und wedelte über seinem Kopf in der Luft. Mir wurde übel. Es kostete mich die größte Anstrengung, meine Selbstbeherrschung zu wahren.
    »Als ein Wesen, das sich der Natur so bewußt ist«, sagte ich, »sollten Sie sich an diesem Schauspiel erfreuen. Das sind Distelfalter, die zu Tausenden von ihren Wanderrouten abgetrieben werden. Wir haben sie hier fast jedes Jahr. Der heiße Wüstenwind, den wir Marmtan nennen, trägt sie vom Kontinent westwärts über den Ozean.«
    Nun hörte ich Leute die Treppe heraufstürmen. Sie würden schon mit dieser Kreatur fertigwerden, deren vernünftige Worte in einem so unheimlichen Kontrast zu ihrem verquollenen Aussehen standen. Ich redete laut weiter, damit sie den Pseudomenschen möglichst unverhofft überraschen konnten. »Für die Schmetterlinge ist es kein Unglück. Es gibt so viele von ihnen, und wahrscheinlich haben sie auf dem Festland keine Nahrung mehr gefunden und wären verhungert, hätte der Wind sie nicht auf diese Inseln geweht. Ein

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