Das Ende Der Ausreden
Akteur, lief seiner Erwartung völlig zuwider.
Ähnlich verhält es sich, wenn Sie von jemandem gebeten werden, einen Rat zu einem Problem zu erteilen. Sie machen vermutlich dann die gleiche Erfahrung, die ich ungezählte Male gemacht habe: Derjenige, dem Sie die Vorschläge machen, spricht keineswegs begeistert darauf an, sondern wird entweder noch einmal ausholen und das Problem vertieft erläutern, oder er wird Ihnen gleich erklären, warum Ihre Vorschläge nicht funktionieren können. Was soll dieses undankbare Verhalten?
Wir jammern lieber
Kein Wunder, dass im Sprichwort vom geteilten Leid das Verb »handeln« nicht vorkommt. Solange wir über Probleme reden, müssen wir nichts tun. Menschen erzählen Probleme nicht, um sie zu lösen. Sie wollen sie erzählen. Und sie erzählen sie, damit man ihnen in ihrer Auffassung zustimmt. Zu ihrer Version des Problems gehört, dass sie selbst es nicht lösen können oder müssen. Unter anderem, weil sie es nämlich nicht verursacht haben, sondern jemand anders. Menschen erzählen Probleme, um nicht handeln zu müssen.
Über Probleme zu sprechen, entlastet uns. Wir bekommen Trost, Zustimmung, Aufmerksamkeit. Die Art, in der wir das Problem schildern, scheint zu beweisen, dass wir die Opfer und andere die Täter sind. Der Vorschlag, über eigene Handlungsmöglichkeiten nachzudenken, ist insofern eine unpassende Reaktion. Achten Sie einmal darauf, wenn jemand ein Problem schildert, und hören Sie sich selbst zu, wenn Sie es tun. Wir alle reden zu 95 Prozent darüber, dass irgendwer etwas falsch macht, sich unmöglich (unfair/unkollegial/inkompetent /autoritär/lieblos/unverschämt/gedankenlos) benimmt. Über unseren eigenen Anteil an der Situation sprechen wir wenig, und wenn, dann in den verbleibenden fünf Prozent, in denen wir einwandfrei begründen, warum wir selbst an der Situation nichts ändern können.
Es ist kein Zufall, dass wir Probleme so schildern. Es liegt daran, dass wir sie so erleben. Die Art der Darstellung entspricht unserer Wahrnehmung und unserem Empfinden. Wir erzählen davon, damit die anderen uns recht geben und wir bei unserer Version bleiben können. Wir erzählen sie, damit die anderen uns bestätigen, dass wir schuldlos in Schwierigkeiten geraten sind.
4 Wie wir gelernt haben, uns für die Passivität und damit für das Problem zu entscheiden
Wir stellen uns als Opfer dar, weil wir uns so fühlen. Aber wir haben immer auch einen eigenen Anteil am Problem, und es gibt immer Möglichkeiten, zu handeln. So gesehen, ist jede Opfergeschichte eine reduzierte Version zu unseren Gunsten und eine fulminante Ausrede.
Psychologisch hat diese Bereitschaft, sich auf den Opferzustand zurückzuziehen, ihre Wurzeln in unserer Kindheit und darin, wie in unserer Wahrnehmung mit unseren Bedürfnissen und Gefühlen umgegangen wurde. Wir haben eine Entwicklung durchlaufen, in der wir am Anfang unsere Gefühle offen ausgedrückt haben, damit andere für uns sorgten, solange wir das selbst noch nicht konnten. Und am Ende könnten wir eigentlich mittlerweile selbst für unsere Bedürfnisse sorgen, tun es aber in vielen Situationen nicht und erwarten, dass es andere für uns tun. Auf paradoxe Weise halten wir an einer Abhängigkeit fest, die wir längst in Eigenverantwortung hätten wenden können.
Phase 1: Am Anfang unseres Lebens drücken wir offen aus, was wir empfinden
Alle Kinder bringen einige grundlegende Bedürfnisse und sogenannte Grundgefühle mit, wenn sie auf die Welt kommen. Die elementaren Bedürfnisse sind einerseits die physiologischen, also Hunger, Durst, Schlafbedürfnis, daneben das Bedürfnis nach zeitlicher (Rhythmus) und räumlicher Orientierung und – in unserem Zusammenhang besonders wichtig – das Bedürfnis nach Liebe. Kinder können nur überleben, wenn sie geliebt werden.
Der britische Entwicklungspsychologe John Bowlby hat in seiner Theorie zur frühkindlichen Bindung gezeigt, wie elementar das Gefühl, »sicher gebunden« zu sein, also verlässlichen Rückhalt bei den Bezugspersonen zu finden, für das gesamte weitere Leben ist. Wenn das Kind sich geborgen, gewollt und beschützt fühlen darf, kann es sich neugierig und aktiv der Welt zuwenden und ein positives Selbstbild aufbauen. Die Grundsteine von Zuversicht, Selbstvertrauen, Zielorientierung werden hier gelegt.
Liebe erleben Kinder zunächst auf drei elementare Arten: Körperkontakt, Blick und Klang. Sie fühlen sich geliebt dadurch, wie sie körperlich gehalten und
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