Das Ende der Dinosaurier
einfach alle Dinosaurier aus?«
»Alle, die zu der Zeit lebten; alle zeitgenössischen Arten. Halten Sie das für unmöglich? Wie lange haben wir gebraucht, um die Bisonherden von hundert Millionen auf wenige hundert Stück zu dezimieren? Haben wir in den letzten sechzig oder achtzig Jahren nicht eine ganze Reihe von Tierarten ausgerottet? Angenommen, wir würden die Jagd zu einem Sport für jedermann machen, wie lange würde es noch Löwen und Tiger und Giraffen geben? Zu der Zeit, als ich diese Echsen sah, gab es schon keine Großtiere mehr. Die waren alle schon erledigt. Und diese kleinen Teufel mit ihren Energieprojektoren jagten die kleinen, im Unterholz lebenden Arten. Wahrscheinlich weinten sie dabei den guten alten Zeiten nach.«
Wir blieben still und schauten unsere leeren Biergläser an und dachten darüber nach. All diese Dinosaurier, groß wie Einfamilienhäuser, ausgerottet von kleinen Echsen mit Waffen. Zum Vergnügen.
Schließlich beugte sich Joe hinüber und legte dem Professor die Hand auf die Schulter und schüttelte ihn ein wenig. »He, Professor«, sagte er, »aber wenn das so ist, was wurde dann aus den kleinen Echsen, denen mit den Schießeisen? Hm? Sind Sie nie zurückgegangen, um das zu erfahren?«
Der Professor blickte mit einem irgendwie bekümmerten Ausdruck in den Augen auf. »Sie verstehen noch immer nicht! Sie hatten schon das letzte Stadium erreicht, ich sah es in ihren Augen. Sie hatten kein Großwild mehr, und die Jagd hatte an Reiz verloren. Was taten sie also? Sie wandten sich anderem Wild zu – nicht dem größten, aber dem gefährlichsten, und nun machte die Jagd wieder richtig Spaß. Dieses Wild jagten sie dann, bis es aus war.«
»Welches Wild?« fragte Ray. Er hatte es nicht verstanden, wohl aber Joe und ich.
»Die eigenen Artgenossen«, sagte der Professor mit lauter Stimme. »Sie erledigten alle anderen und fingen dann mit den eigenen Leuten an – bis keine übrig waren.«
Und wieder schwiegen wir und dachten über diese Dinosaurier nach, wie sie von kleinen Echsen mit Schießeisen ausgerottet worden waren. Dann dachten wir über die kleinen Echsen nach, wie sie mit dem Schießeisen und der Jagd hatten weitermachen müssen, obwohl es als Beute nur noch die eigenen Artgenossen gab.
Joe sagte: »Diese blöden Echsen!«
»Wirklich«, sagte Ray, »diese armen Irren von Eidechsen.«
Was dann geschah, jagte uns einen riesigen Schreck ein. Denn der Professor sprang auf, und seine Augen sahen aus, als wollten sie aus ihren Höhlen quellen und uns anspringen. »Verdammte Dummköpfe!« schrie er. »Warum sitzt ihr hier und besabbert euch wegen Reptilien, die seit hundert Millionen Jahren tot sind? Das war die erste Intelligenz auf Erden, und so endete sie. Das ist erledigt. Aber wir sind die zweite Intelligenz – und wie werden wir enden, he? Was meint ihr?«
Er warf seinen Stuhl um und ging zur Tür. Aber bevor er in der Dunkelheit verschwand, wandte er sich noch einmal um und rief zurück: »Diese armen Irren von Menschen! Geht hin und zerbrecht euch darüber die Köpfe!«
*
Die Geschichte scheint leider eine Moral zu haben und endet sogar damit, daß sie dem Leser diese Moral um die Ohren schlägt. Das ist schlecht. Unverhülltes Predigen verdirbt die Wirksamkeit einer Erzählung. Wenn man dem Drang nicht widerstehen kann, seine Mitmenschen zu verbessern, dann sollte man es mit Fingerspitzengefühl versuchen.
Gelegentlich übermannt es mich, und ich vergesse diese gute Maxime. DAY OF THE HUNTERS wurde geschrieben, nachdem die Sowjetunion ihre erste Wasserstoffbombe gezündet hatte. Schon vorher war es schlimm genug gewesen, mit dem Wissen zu leben, daß die Vereinigten Staaten versucht sein könnten, Wasserstoffbomben einzusetzen, wenn sie (wie 1945) hinlänglich gereizt würden. Nun war zum ersten Mal die Möglichkeit eines wirklichen Nuklearkriegs gegeben, in dem beide Seiten Wasserstoffbomben einsetzen konnten.
Inzwischen haben wir uns an diese Situation gewöhnt und denken kaum noch darüber nach, aber Anfang der fünfziger Jahre, als der kalte Krieg in Korea schon zur offenen militärischen Auseinandersetzung eskaliert war, gab es viele, die einen Atomkrieg in naher Zukunft für unausweichlich hielten. Ich war deswegen ziemlich verbittert, und die Verbitterung scheint in der Geschichte durch. { * }
DAY OF THE HUNTERS ist übrigens auch eine Erzählung, die im Rahmen eines Gesprächs abläuft. Dieses findet in einem Wirtshaus statt. Wodehouses
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