Das Ende der Geduld
anwenden müssen, was die Methodik dauerhaft sichert. Weiterhin sagt mir zu, dass es Zulassungsvoraussetzungen für jeden Trainer gibt: Dazu zählen ein abgeschlossenes sozialwissenschaftliches Studium, praktische Berufserfahrung und natürlich die Akzeptanz der Denkzeitmethode.
Die meisten Mehrfachtäter bräuchten ein Denkzeit-Training. Es kostet aber jeweils etwa 2000 Euro.
Die theoretische und praktische Befassung mit den präventiven Angeboten und den Projekten, die richterliche Anordnungen umsetzen, hat mir vor allem deutlich gemacht, dass es eindeutig zu viele Einzelinitiativen gibt. Mag jede für sich einen noch so fundierten Ansatz haben und die richtigen Ziele verfolgen, so zeigt sich dennoch auch hier eine Zersplitterung bis hin zur Unübersichtlichkeit. Es ist in Anbetracht der Vielzahl der Fälle, die ein Jugendrichter zu entscheiden hat, schwierig, das passende Angebot für den jeweiligen Angeklagten herauszufiltern. Andererseits darf von uns verlangt werden, dass wir wissen, was sich hinter den Angeboten verbirgt. Die Jugendgerichtshilfe macht zwar in der Hauptverhandlung einen diesbezüglichen Vorschlag. Ich bin aber insofern mit dem derzeitigen Staatssekretär für Justiz, Herrn Hasso Lieber, einer Meinung, wenn er in einem Grußwort zu einer Tagung der Landeskommission gegen Gewalt äußert: „Hier ordnen Richterinnen und Richter nicht selten die Teilnahme an Seminaren, Kursen und Trainings an, ohne die Frage der Indikation des konkreten Angebotes in jedem Fall aus eigener Fachkunde beantworten zu können."
Wie machen es andere?
Eine Länderübergreifende Betrachtung
2008 und 2009 hatte ich gemeinsam mit einer Neuköllner Delegation die Gelegenheit, in Rotterdam, Glasgow, London und Oslo Eindrücke darüber zu sammeln, wie dort mit Jugendkriminalität und sozialen Problemen umgegangen wird.
In allen Städten war erkennbar, dass es sich bei der Jugendkriminalität um ein wachsendes Problem handelt und dieses sich zunehmend um die zum Teil fehlgeschlagene Integration von Migranten rankt. Überall kam deutlich zum Ausdruck, dass der präventive Ansatz in der Kriminalitätsbekämpfung Vorrang hat. Sämtliche beteiligten Institutionen bemühen sich darum, früh hinzuschauen und einen Konsens speziell mit den Eltern der Jugendlichen herzustellen, um bereits im Vorfeld der Entstehung delinquenten Verhaltens aktiv werden zu können. Auffallend war, dass die Vertreter insbesondere der staatlichen Einrichtungen teilweise sehr zurückhaltend in der Benennung der Probleme waren und dementsprechend eine unterschiedliche Bereitschaft bestand, valides Zahlenmaterial herauszugeben.
Oslo
In Norwegens Hauptstadt leben etwa 450.000 Menschen, von denen 26 Prozent einen Migrationshintergrund haben. Es ist eine deutliche Segregation zu verzeichnen, die dazu führt, dass es Wohngebiete bzw. Schulen mit 90-prozentigem Migrantenanteil gibt. Diese
Menschen wandern vorwiegend aus Somalia, Pakistan, Sri Lanka, Polen, dem Irak und der Türkei zu. Die Migranten aus Somalia bereiten im Bereich der Integration die größten Probleme und sind auch im Bereich der Straftaten überrepräsentiert. Im Stadtbild ebenfalls deutlich sichtbar ist die Bevölkerungsgruppe der Roma. Diese bleibt überwiegend unter sich, viele Menschen haben gar keinen Aufenthaltsstatus (rund 20.000 „Illegale" leben in der Stadt). Im Jahr 2008 wurden in Oslo 82.660 Delikte registriert. Bei einer polizeilichen Aufklärungsquote von lediglich 19 Prozent - in Berlin liegt man bei rund 50 Prozent - war eine Zunahme von 86 Prozent bei Diebstählen aus Wohnungen, 44 Prozent bei Graffiti und 17 Prozent bei Raubüberfällen zu registrieren. Die Jugendkriminalität hat hingegen um 15 Prozent abgenommen. 1573 Täter unter 18 Jahren gab es im Jahr 2008, wovon 117 als Intensivtäter geführt werden. Als solcher gilt man in Oslo, wenn man mehr als vier Straftaten begangen hat. 65-70 Prozent der Intensivtäter Oslos haben einen Migrationshintergrund. Hinsichtlich der Opfer wird festgestellt, dass bei reinen Gewaltdelikten „Schwarze" - so die gängige Terminologie vor Ort -, bei Raubtaten hingegen „Weiße" betroffen sind.
Erstaunt hat mich, dass Oslo weder über ein Jugendgerichtsgesetz noch über eigene Jugendstrafanstalten verfügt. In Oslo werden 15- bis 23-Jährige „milder" bestraft als Erwachsene. Es stehen genau sechs Haftplätze für 15- bis 18-Jährige Straftäter zur Verfügung. Auch eine geschlossene Heimunterbringung ist nicht vorgesehen,
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