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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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jedoch verfügt man über Einrichtungen mit festen Strukturen und Regeln, in denen 20 Intensivtäter betreut werden können, weitere 20-30 stehen unter Betreuung bzw. Beobachtung. Wir erfuhren all dies beim Besuch des SaLTo-Programms (übersetzt: „Zusammen schaffen wir ein sicheres Oslo"). Es verpflichtet die Vertreter der Stadtteile und die Polizei zur verbindlichen Zusammenarbeit und besteht seit den Schießereien bewaffneter Jugendbanden im Jahr 2008, bei denen es zu Schwerverletzten kam, wodurch großer öffentlicher Druck entstand. Oslo hat darauf reagiert, indem zunächst einmal eine Problemanalyse ergab, dass die Kerngruppe der Bande aus einem Norweger, drei Pakistani, zwei Somaliern und einem Kurden bestand, die einige Gemeinsamkeiten aufwiesen: Arbeitslosigkeit in der Familie, schlechte Wohnverhältnisse, geringe Frustrationstoleranz, Aggressionen, Ängstlichkeit, Misstrauen gegenüber dem staatlichen System und „broken homes". Aufgrund der Vielschichtigkeit der Probleme wurde eine Kooperation zwischen Jugendamt, Polizei, Schule und Straßensozialarbeitern vereinbart. Das hört sich für den deutschen Leser erst einmal nach einem permanenten Verstoß gegen den Datenschutz an, wird aber in Norwegen anders bewertet. Außerdem gestehen die Sozialarbeiter, die mit den Jugendlichen und ihren Familien arbeiten, gern ein, dass sie die Informationen der Polizei bereitwillig aufnehmen, sie selbst hingegen längst nicht alles der Polizei mitteilen, da ansonsten kein Vertrauen zu den Betroffenen aufgebaut werden könne. Sehr wohl werde aber das Ki-Ju-Schutzteam des Amtes informiert, auch jeder Schulleiter könne sich an die Sozialarbeiter wenden; umgekehrt falle der Informationsfluss wiederum spärlicher aus.
    Das Problem des Schulschwänzens wurde uns in Oslo als vernachlässigenswert geschildert. Überhaupt erklärt eine Schulleiterin in Furuset, einem Stadtteil von Alna, der als problembelastet gilt, dass in ihrer Schule mit einem Migrantenanteil von 95 Prozent maximal zehn Prozent der Kinder als schwierig einzustufen seien. Jeder Schule ist ein Polizeibeamter zugeteilt, der sich um Einzelfalle der Schuldistanz kümmere, auch die Ki-Ju-Schutzteams seien im Rahmen der aufsuchenden Sozialarbeit normalerweise in der Lage, die Eltern zu erreichen und für einen regelmäßigen Schulbesuch zu sorgen. Eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Polizei wird als selbstverständlich betrachtet, jeder Gewaltvorfall wird sowohl den Eltern als auch dem Schulamt gemeldet.
    Das Schulsystem in Norwegen ist übrigens so gestaltet, dass die Kinder mit sechs Jahren eingeschult werden und bis zur 10. Klasse gemeinsam beschult werden. Im Anschluss daran splittet sich das System in eine praxisorientierte weiterführende Beschulung und einen gymnasialen Zweig, in dem man nach drei weiteren Jahren das Abitur erwerben kann. Die 1. bis 7. Klasse werden als Grundschule bezeichnet, die 8. bis 10. Klasse als Jugendschule. Hier unterrichtet ein Lehrer 20 Schüler. Der Unterricht erfolgt zusätzlich noch differenziert je nach Leistungsniveau. Die Personalzusammenstellung richtet sich am Bedarf aus. Die Schule in Furuset erhält darüber hinaus vier Jahre lang gegenüber anderen Schulen jährlich 250.000 Euro sowie für jedes Kind mit bestehendem Sonderunterrichtsbedarf einen weiteren Zuschuss. Für die Elternarbeit wurde ein zusätzlicher Lehrer eingestellt, und überhaupt kann der Schulleiter sich seine Lehrerschaft zumindest zum Teil selbst aussuchen! Im Vergleich zur Bundesrepublik sind dies geradezu beneidenswerte Zustände.
    Die Schule, die wir besucht haben, verfügt ergänzend zum Unterricht über eine „offene Schule", die täglich bis zum Abend von etwa 50 der 400 Kinder besucht wird. Hier findet Freizeitgestaltung statt, muslimische Mädchen, die aufgrund der Intervention ihrer Eltern nicht am regulären Schwimmunterricht teilnehmen dürfen oder wollen, können dies hier nachholen. Der Religionsunterricht wird nicht nach Konfessionen aufgeteilt, Priester und Imame werden nicht beteiligt, die Eltern können aber beantragen, dass ihre Kinder an bestimmten religiösen Aktivitäten nicht teilnehmen müssen (z. B. am Gottesdienst am letzten Schultag vor den großen Ferien).
    Um einer kriminellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen vorzubeugen, ist das SaLTo-Programm in Alna so ausgestaltet, dass sich die leitenden Mitarbeiter folgender Institutionen monatlich einmal austauschen: Polizei, Kinder- und Jugendschutz (vergleichbar mit

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