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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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wird entweder mit mehr konfrontativen Anteilen oder mit stärkerer Betonung der Entwicklung sozialer Kompetenzen gearbeitet. Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Fallzahlen: Gab es im Jahr 1998 fünf Teilnehmer, waren es in 2007 bereits 51.
    Einen breiten Raum nimmt bei der Integrationshilfe auch die Durchführung des „Täter-Opfer-Ausgleichs" (TOA) ein. Für diese Maßnahme sind grundsätzlich alle Fälle geeignet, in denen eine Person geschädigt wurde, wobei weder die Schwere des Deliktes noch Art und Anzahl der Vorbelastungen des Täters den Ausschlag für die Einleitung eines TOA geben sollen, sondern die subjektive Konfliktlösungsbereitschaft der Beteiligten und deren persönliche Einschätzung des Vorfalls. Das Ganze hat nur auf freiwilliger Basis Sinn. Es werden in diesem Bereich teilweise erstaunlich gute Ergebnisse erzielt. Manchmal bekomme ich eine Anklage auf den Tisch und denke: „Da ist ja wohl mindestens ein Arrest fällig." Etwas zähneknirschend lasse ich die Akten aber erst einmal ruhen, weil die Jugendgerichtshilfe einen TOA vorschlägt und erste Bemühungen des Trägers, zu den Beteiligten Kontakt aufzunehmen, bereits laufen. Zu meiner Überraschung lassen sich einige Opfer auf moderierte Gespräche mit den Tätern ein, und es kommt nicht selten im Vorfeld der Hauptverhandlung zur Konfliktbereinigung. Das bedeutet nicht die Verpflichtung von Staatsanwaltschaft und Gericht, keine weiteren Maßnahmen zu verhängen, jedoch ist ein erfolgreich durchgeführter TOA aus erzieherischer Sicht natürlich geeignet, keinen zusätzlichen „Maßnahmencocktail" zu mixen. Dies gilt aus meiner Sicht umso mehr, als im Rahmen eines TOA nicht nur auf der reinen Gesprächsebene agiert werden muss, sondern zusätzlich die Möglichkeit besteht, dass der Täter Arbeiten ableistet und der hierbei erwirtschaftete Geldbetrag dem Geschädigten zugutekommt. Auf diese Art und Weise bin ich schon häufiger von meinem Ursprungsreflex, schnell mit Arrest zu reagieren, abgebracht worden. Zunehmend habe ich aber den Eindruck, dass auf Opferseite die Bereitschaft sinkt, sich mit den Tätern „an einen Tisch zu setzen", auch wenn sich die Zahl der Fälle, in denen mit derartigen Mitteln agiert wurde, nach oben entwickelt hat.
    Die weitere Angebotspalette der Anti-Gewalt-Maßnahmen gestaltet sich, gelinde gesagt, derart unübersichtlich, dass nur noch zwei weitere Modelle angerissen werden sollen. Zum einen finde ich das „Coolness-Training" erwähnenswert. Er richtet sich an Jugendliche und Heranwachsende, die mehrfach durch dissoziales Verhalten aufgefallen sind und deren persönliche, schulische und berufliche Entwicklung stagniert. Es werden feste Gruppen von ca. zehn Personen, die jeweils mit zwei Trainern arbeiten, eingerichtet. Ein Kurs umfasst 20-23 Sitzungen plus drei Vorbereitungstermine. Eine Sitzungseinheit beträgt mindestens neun Stunden wöchentlich. Diese unterteilen sich in gruppen- und personenbezogene Arbeit. Das äußerst kostspielige Training gliedert sich in vier Phasen: die Biografie-, die Konfrontations-, die Neuorientierungsund die Nachbetreuungsphase. Wichtig erscheint mir hier die zweite Phase, in der die Teilnehmer auf dem sogenannten „Heißen Stuhl" mit Hilfe von Provokationstests gereizt und ihre Rechtfertigungsbemühungen von den anderen Teilnehmern hinterfragt werden. Die Methode birgt Risiken. Manch einer berichtet hinterher, seine Aggressionsbereitschaft sei durch die Maßnahme gestiegen. Ich kann mir das bei Jugendlichen mit vielfältigen Problemen auch gut vorstellen.
    Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt das „Denkzeit-Training" Hierbei handelt es sich um eine „Eins-zu-Eins-Situation" zwischen einem ausgebildeten Pädagogen, der über etwa ein Dreivierteljahr in 40 Sitzungen mit dem Jugendlichen zusammenarbeitet. Der Trainer soll dabei verlässlich und zugewandt, aber auch fordernd auftreten und den Jugendlichen dazu bringen, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Gut finde ich, dass die ersten 24 Sitzungen in ihren Zielen, Methoden, Beispielen und didaktischen Hinweisen ausgearbeitet sind. Der Trainer und sein Gegenüber gehen das vorbereitete Material Punkt für Punkt durch. Am Anfang einer Sitzung wird das Vorausgegangene wiederholt, der Jugendliche bekommt „Hausaufgaben", damit er sich über eine Einheit hinaus mit seinen Problemen befasst. Ich denke, auf diese Weise wird ein Standard geschaffen, den sämtliche Pädagogen gleichermaßen

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