Das Ende der Geduld
Reifen platt ist [gemeint waren die Väter], kann es unmöglich fahren."
Einen sehr frühen Zeitpunkt der Prävention wählt das Programm „Bydee Alna". Hier werden in 56 Kindergärten Erzieherinnen besonders geschult, um den Spracherwerb der Migrantenkinder zu fördern. Kinderbücher in den verschiedenen Sprachen werden an die Eltern verteilt, damit sie lernen, ihren Kindern vorzulesen. Eine wirklich gute Idee. Ich wies bereits darauf hin, dass ein deutsches Kind durchschnittlich mit 3000 Stunden „Vorlesezeit" in den Schulbetrieb startet, während in den migrantischen Elternhäusern so gut wie gar nicht vorgelesen wird. Der echte Fortschritt des norwegischen Systems gegenüber unserem liegt meiner Meinung nach aber darin, dass zweisprachige Mitarbeiter anhand von zuvor erstellten Namenslisten der vier- bis fünfjährigen Einwohner von Furuset mit Migrationshintergrund in die Familien geschickt werden, um die Eltern zur Anmeldung ihrer Kinder im Kindergarten zu motivieren. Hier wird auf einfachstem Niveau gearbeitet. Es werden Bilder vom Kindergarten gezeigt, um das Vertrauen der Eltern zu gewinnen. Wichtig sei, so eine Mitarbeiterin, die Eltern nicht zu belehren, sondern sie zu informieren. Auf diese Art und Weise hat man einen steigenden Anteil der Kindergartenkinder erreicht und die Rückmeldung der Schulen ergab, dass die Kinder besser Norwegisch sprechen. Glückliches Land!
Einen weiteren interessanten Ansatz für ein besseres Verständnis zwischen den Ethnien bietet das Programm „BoSammen". Es fördert das Miteinander der Bewohner eines Wohngebietes. Es existieren elf Anlaufstellen in einem Bereich von 2687 Wohnungen mit insgesamt ca. 8000 Mietern. In Seminaren werden Themen mit der Zielsetzung „Wir im Haus sind eine Familie" besprochen. Jedes Mehrfamilienhaus hat einen Leiter, der geschult wird, z. B. die angesprochenen Seminare durchzuführen. 34 dieser Leiter wurden bisher ausgebildet, 50 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Sie erhalten 200 Euro pro Tageskurs. Ohne Zweifel können sich die Mitarbeiter mit eigenen Migrationserfahrungen eher in Menschen aus dörflichen Verhältnissen der „Dritten Welt" hineinversetzen, die lernen müssen, auf engem Raum mit vielen anderen Kulturen oder auch nur der eigenen Ethnie zusammenzuleben. Die Polizei bestätigte uns, dass seit der Einrichtung des Programms die Häufigkeit des Einschreitens in diesen Wohnblöcken erheblich gesunken sei. Soziale Kontrolle kann also funktionieren. Ein gutes Beispiel für die Beseitigung eines Missverständnisses, das unter anderen Gegebenheiten zu einem ernsthaften Konflikt hätte eskalieren können: Mehrere Söhne einer zugezogenen afrikanischen Familie spielen auf der Straße Fußball. Der Ball knallt gegen das Auto eines Urnorwegers.
Der stürzt aus dem Haus und schreit: „Ihr schwarzen Teufel!" Das stellt in Nordnorwegen eine gängige Beschimpfung unabhängig von Rasse und Herkunft dar, wie uns die Dolmetscherin wissen ließ. Die Kinder rennen zu ihrem vom Umzug genervten Vater und vermelden, der Nachbar sei ein Rassist. Der emotional erregte Afrikaner rennt daraufhin zum Norweger und sagt, er - der Afrikaner - werde nunmehr dem Norweger den Kopf abschlagen. Das ist nun wieder in Afrika eine normale verbale Reaktion, wenn man sauer ist. Das sofortige Einschreiten eines Mitarbeiters von „BoSammen" konnte den Konflikt beilegen.
Insgesamt scheint der Ansatz Oslos in der Bekämpfung der Jugendkriminalität erfolgreich zu sein. Ich formuliere vorsichtig, weil meine Skepsis gegenüber statistischen Werten ja bereits zum Ausdruck gekommen ist. Während im Jahr 2007 noch 140 Intensivtäter erfasst wurden, lag die Zahl in 2008 bei 117 Personen. Die Anzahl der Raubüberfälle soll von 188 in 2007 auf 97 in 2008 zurückgegangen sein. Meine Bereitschaft, die statistischen Werte anzuerkennen, besteht dennoch, weil ich den strukturellen Ansatz der Verantwortlichen für gelungen halte. Man erkennt und benennt offen das Kriminalitätsproblem als Teil eines Integrationsproblems. Die Prävention setzt bereits sehr früh ein. Die Familien werden rechtzeitig besucht, aufgeklärt und motiviert, die Kinder in die Tageseinrichtungen zu bringen. Die „schwarzen" Schulen werden personell und materiell besser ausgestattet als die übrigen. Es gibt ein breit gefächertes und vielfältiges Freizeitangebot. Die Regelsysteme wie Jugendamt, Schule und Polizei agieren auf kommunaler Ebene ohne Scheu miteinander. Die Bereitschaft für ein
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