Das Ende der Geduld
unserem Jugendamt), die Jugendbase (ambulante Familienhilfe), Straßensozialarbeiter, Folgedienste (z. B. Gesundheitsämter), Schulen, Freizeiteinrichtungen. Konkrete Fälle werden besprochen, Daten ausgetauscht, Strategien festgelegt. Im letztgenannten Bereich erschien mir die Vorgehens weise allerdings ziemlich nebulös, wurde doch aus meiner Sicht der Eindruck erweckt, als regele sich das Problem bereits durch die Zusammenarbeit der Beteiligten. Was aber tun, wenn Elternhäuser verschlossen bleiben? Entweder gibt es diese Probleme in Oslo nicht oder man steht dann vor ähnlichen Situationen wie in Deutschland.
Wie gesagt: Die Ansätze sind strukturell präventiv. Schwierige Jugendliche werden durch die Vernetzung und den Austausch von Informationen und Daten rasch ausfindig gemacht. Sodann gilt es durch entsprechende Angebote an die Familien Abhilfe zu schaffen, Vorbehalte abzubauen und die Bereitschaft zur Mitarbeit zu wecken. Hier ist Norwegen offensichtlich aufgrund seiner hervorragenden ökonomischen Gesamtsituation (Vollbeschäftigung, keine Staatsverschuldung, riesige Gewinne aus der Ölförderung in der Nordsee) erheblich besser gestellt als wir. So verfügt allein Alna über fünf große Jugendfreizeiteinrichtungen. Dies sind keine ausgebauten ehemaligen Kleinläden mitten im Kiez, die in Berlin zwar „dichte bei" angesiedelt sind, dafür aber räumlich und zeitlich nur stark eingeschränkt agieren, sondern große Areale, die zum Teil über eigene Eishockey- und Handballhallen, Schwimmbäder, Fußballplätze, Küchen und freundlich gestaltete Aufenthaltsräume verfügen.
Die uns vorgestellte Einrichtung befindet sich im Übrigen auch nur einen Steinwurf von der meistfrequentierten Schule entfernt. Es werden Angebote getrennt für 10- bis 13-Jährige und 13- bis 18-Jährige unterbreitet. Die Häuser haben wochentags nach Schulschluss etwa bis 19 Uhr, am Wochenende bis 23 Uhr geöffnet und bieten in diesen Zeiten vor allem sportliche Aktivitäten an. Als entscheidend für den Erfolg des Konzepts sehe ich die Weiterführung und Spezifizierung der Angebote während der Ferien an. Gefallen hat mir im Übrigen besonders, dass viele behinderte Kinder integriert sind und diese sich besonders gern auf den zahlreichen kulinarischen Veranstaltungen betätigen. Sie kochen, backen, dekorieren und haben dabei offensichtlich sehr viel Spaß. Als wir den Jugendclub in Furuset besuchten, wurden wir jedenfalls üppig bekocht und ich bin in die Küche gegangen, um mich zu bedanken. Es waren drei Jugendliche mit Downsyndrom und eine Sozialarbeiterin zugegen, die sich riesig freuten, gelobt zu werden. Als weniger erbaulich empfand ich die Information über den geschlechtergetrennten Schwimmunterricht und die ebenfalls zwischen Jungen und Mädchen aufgeteilten Cafes. Insgesamt entstand jedenfalls der rundum positive Eindruck einer flächendeckenden Versorgung der Kinder und Jugendlichen im Freizeitbereich.
Um Eltern in die Integration und Gewaltprävention einzubeziehen, wurden in Norwegen ebenfalls zahlreiche Initiativen gestartet. So existiert wie in Deutschland auch hier eine ambulante Familienhilfe. Diese ist aufgrund der Vernetzung und erhöhten Kommunikation der beteiligten Institutionen schneller „am Ball", als ich das bei uns erlebe. Melden ein Schulleiter, die Polizei oder die Straßensozialarbeit ein problematisches Kind, wird sofort interveniert. Auf der konsensualen Ebene werden den Eltern unterstützende Maßnahmen offeriert. Parallel zu der offiziellen Arbeit des Amtes für Kinder- und Jugendschutz agiert das „Homestart-Programm". Eine aus Pakistan stammende junge Frau erklärte uns das freiwillige Engagement von überwiegend migrantischen Mitarbeitern, die zwei Stunden pro Woche in den zugewanderten Familien verbringen und unterstützend wirken sollen. Man stelle sich dies als ein Art Brückenbauerfunktion zwischen den Ethnien vor, wie es sie teilweise auch in Berlin gibt: Die „Stadtteilmütter" in Neukölln agieren nach einem ähnlichen Prinzip.
Vergleichbare Ansätze verfolgt das „ICDP - International Child Development Program", bei dem es sich ebenfalls um ein Integrationsprojekt handelt. Die Eltern sollen in der jeweiligen Heimatsprache über Grundsätze von Säuglingspflege, Kindergarten- und Schulbesuch informiert und beraten werden. Ein Mitarbeiter des ICDP schilderte eindrucksvoll das auch uns geläufige Problem, speziell die Väter schwer zu erreichen: „Eltern sind wie Fahrräder: Wenn ein
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