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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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friedlich, und draußen laufen die Bewaffneten herum?
    Wir erfahren in der „Pollockchields Primary School", einer Grundschule, über die Schulstruktur von Glasgow allgemein, dass es zwölf private, 29 staatliche, 120 Vorschulen und 40 Sonderschulen gibt, was erstaunlich viel ist. Die einheimischen Kinder werden vornehmlich in Privatschulen angemeldet. In der besagten Grundschule wird den Kindern, die verblüffend geringe Englischkenntnisse haben, wenn sie eingeschult werden, zusätzlicher Sprachunterricht erteilt. Die Schüler sind mehrheitlich in Schottland geboren. Offenbar wird es versäumt, die Familien bereits vor der Einschulung mit der Notwendigkeit des Spracherwerbs vertraut zu machen. Besonders die in den letzten Jahren vermehrt zugewanderten Roma-Kinder sind betroffen, zumal sie mehrheitlich ohnehin ab dem zwölften Lebensjahr nicht mehr in der Schule erscheinen. Insofern ist Oslo Glasgow im Bereich der frühen Sprachförderung um Längen voraus. Man bemüht sich aber wenigstens innerhalb der Schulzeit mit Lehrern und anderen Unterstützern aus dem entsprechenden Kulturkreis, das schottische Schulsystem in den Elternhäusern verständlich zu machen. Auffällig ist der selbstverständliche Umgang der Schule mit der Anbindung des Koranunterrichts an die Schule. Imame der Zentralmoschee erteilen an jedem Werktag von 17.00 Uhr bis 19.00 Uhr Koranunterricht in arabischer Sprache für die muslimischen Schüler, ohne dass die Schulleiterin die Inhalte überprüft. Während des Ramadan wird das Freitagsgebet ebenfalls in der Schule durchgeführt. Das Fasten der Grundschulkinder wird nicht als Problem angesehen. Die Forderung vieler Eltern nach geschlechtergetrenntem Unterricht wurde zurückgewiesen, getrennter Schwimm- und Sexualkundeunterricht ist hingegen gängige Praxis.
    Im Bereich der Schule zeigt sich insgesamt, dass Glasgow sicherlich aufgrund einer inzwischen 60-j ährigen Tradition mit Zuwanderern eine gewisse Gelassenheit entwickelt hat. Diese Einschätzung relativiert sich allerdings durch die zusätzlichen Informationen bei den „Race Equality Adviser at Education Services", einer Art Gleichberechtigungsstelle der Stadtverwaltung. Hier erfahren wir, dass vor zehn Jahren sieben Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund hatten, gegenwärtig sind es 16 Prozent, demnächst werden 20 Prozent erwartet. Stadtquartiere, die früher komplett „weiß" waren - wir zucken bei diesem Vokabular zusammen -, haben sich gewandelt, Verwahrlosung, Prostitution und Delinquenz seien zu verzeichnen.
    Wir verlassen die Schule mit dem Eindruck, dass hier wenig Probleme angesprochen werden, sind dann aber verwundert, rund um den Schonraum „Bildungsstätte" einem „Big Brother" ausgesetzt zu sein: Man wird überall und permanent von insgesamt 420 Kameras beobachtet. Diese sind auf mobilen Wagen angebracht und fahren ständig in der Stadt herum, um die Bürger zu beobachten, Daten zu sammeln, Profile über unsoziales Verhalten Einzelner zu erstellen. In diesen „Glasgow Community and Safety Service" sind zusätzlich 500 Mitarbeiter eingebunden. Unter ihnen sind beispielsweise Polizisten, Sozialarbeiter, Lehrer, aber auch ehrenamtliche Helfer. Etwa 2500 Jugendliche und insgesamt 200 Straßengangs sind inzwischen erfasst. Der Safety Service kann „Störenfriede" vorladen, hat aber keinerlei eigene Sanktionsmöglichkeiten. Meine Hoffnung, von der ortsansässigen Polizei strategische Konzepte zur Bekämpfung der nicht gerade geringen Zahl von Gangs zu erfahren, zerschlägt sich.
    Der Eindruck, dass Glasgow vorrangig präventiv arbeitet, verträgt sich aus meiner Sicht nicht mit der permanenten Überwachung. Es ist einfach ein durch und durch unangenehmes Gefühl, beispielsweise in einem Restaurant zu sitzen, während mehrmals ein Wagen vorbeifährt, kurz anhält und eine bewegliche Kamera über die Szenerie schwenken lässt.
     
London
    Die Millionenstadt kann sich glücklich schätzen, da hier nahezu Vollbeschäftigung herrscht. Dennoch ist zu erkennen, dass sich die Stadtteile genauso auseinanderentwickeln wie in anderen großen Städten. Auch London hat ein Problem sowohl mit der Jugendkriminalität als auch mit der Integration. In die Stadt sind die Menschen aus vielen Teilen der Welt zugewandert. Die meisten fügten sich ein. Bezüglich derjenigen, die der Aufnahmegesellschaft distanziert gegenüberstehen, hat sich in der jüngeren Vergangenheit eine zumindest mir bislang unbekannte Umgangsweise herausgebildet.

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