Das Ende der Geduld
„School Officer" ist aber auch für die Schüler ansprechbar und führt Seminare zur Kriminalitätsprävention durch. Werden Familien bei einer derart offensiven Herangehensweise durch die Besuche von Schule und Polizei stigmatisiert? Der Leiter einer von uns besuchten Schule in einem Problemviertel, der selbst über einen Migrationshintergrund verfügt, konnte diesen Einwand nicht nachvollziehen. Er meint: „Wir machen die Probleme öffentlich, meistens reicht das aus." Besagter Direktor hatte vor einigen Jahren eine völlig verwahrloste Schule übernommen, die von Vandalismus und Schulschwänzerei betroffen war, und daraus eine Vorzeigeeinrichtung gemacht. Sein Rezept: sich von ungeeigneten Lehrkräften trennen - offenbar geht das in England -, die Klassengröße auf maximal 22 Schüler begrenzen, Lehren und Lernen miteinander durch Ausflüge und vermehrte Projektarbeit koppeln, den Unterricht nach dem Verständnisgrad der Schüler planen, Informationen über eine positive Entwicklung der Schüler direkt an die Eltern weitergeben, diese dreimal im Jahr in die Schule einladen und eine enge, den Schülern und ihren Eltern bekannte Kooperation mit der Polizei pflegen. Als Kombination von Fördern und Fordern empfand ich das als insgesamt stimmig.
Rotterdam
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin ein Fan von Rotterdams Umgang mit den bekannten Schwierigkeiten. Hier sind es, wie im Übrigen im gesamten Königreich in allen größeren Städten, vornehmlich marokkanisch-niederländische Jugendliche, die erhebliche Probleme bereiten. Einer Pressemitteilung des niederländischen Ministeriums für Inneres vom 30. Januar 2009 ist zu entnehmen: „In der letzten Zeit hatten sich in mehreren Orten Vorfalle ereignet, an denen marokkanisch-niederländische Problemjugendliche beteiligt waren. Sie verhalten sich sehr störend, sorgen für ernsthafte Belästigung und lassen sich Zerstörungen, Bedrohungen und Einschüchterung zuschulden kommen. Die Bürger erwarten zu Recht, dass die Behörden tatkräftig auftreten, es handelt sich jedoch um eine komplexe Problematik."
Die Stadtregierung von Rotterdam hat dies offenbar früh erkannt und beschlossen, dass präventive und repressive Maßnahmen miteinander verbunden werden müssen, um erfolgreich gegen Verwahrlosung und Kriminalität bei Jugendlichen vorzugehen. Vernetzung, Datensammlungen und Kooperation in kleinen Einheiten sind die Ansatzpunkte der Strategie. So wurden Interventionsteams gebildet, die folgendermaßen agieren: Beamte der Stadtverwaltung, sogenannte „Stadtmariners", steuern in 13 problembelasteten Gebieten von Rotterdam interdisziplinär zusammengestellte Teams, bestehend aus Mitarbeitern der Sozialbehörden, zu denen auch das Jugendamt gehört, des Ordnungsamtes, der Polizei, der Stadtwerke und der Wohnungsbaugesellschaften. Nicht mehr als 60.000 Einwohner eines Bezirkes unterfallen der Zuständigkeit eines Teams. Die beteiligten Teammitglieder sammeln Hinweise auf Missstände und Daten bezüglich einzelner Straßenzüge, Häuser und Familien. Wenn sich durch die Informationsdichte ein Bild ergibt, das zum Einschreiten Veranlassung bietet, werden die Betroffenen aufgesucht, gegebenenfalls verschafft man sich auch durch richterlichen Beschluss Zutritt zu den Wohnungen. Ein Beispiel: Die Mitarbeiter des Jugendamtes wissen, dass eine Mutter alleinerziehend mehrere Kinder aufzieht, nachdem sie bereits als Teenager die erste Schwangerschaft hatte. Die Kinder fallen der Polizei durch Herumlungern und kleinere Straftaten auf. Die Wöhnungsbaugesellschaft teilt mit, dass die Miete nur unregelmäßig bezahlt wird und in den gemieteten Räumlichkeiten bereits Schimmelbefall besteht. Hier verdichten sich Anzeichen einer massiven Risikolage derart, dass eingeschritten werden muss. Die Mutter wird aufgesucht und mit den Erkenntnissen vertraut gemacht. Konkrete Hilfsangebote werden ihr unterbreitet. Sollte sich beispielsweise herausstellen, dass die bauliche Substanz der Wohnung verantwortlich für deren Verfall ist, wird die Wohnungsbaugesellschaft verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen, und der Familie wird umgehend Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt. Ein solches Vorgehen hat mich fasziniert, denn es basiert auf dem richtigen Denkansatz: Die Problemlage wird nicht stereotyp betrachtet, sondern man versucht in jedem einzelnen Fall, die Situation zutreffend zu analysieren und ihren Ursachen auf den Grund zu gehen. Den Risikofamilien werden, sofern ihr eigenes Verhalten
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