Das Ende der Geduld
befürchtenden Stigmatisierung der Straftäter führen. Trotzdem hat eine solche Maßnahme einen gewissen Charme, weil die Tat - „gescrachte Scheiben" in der Bahn - und die darauf folgende Strafmaßnahme - etwa einen Monat Fahrradfahren - in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen.
Einige Maßnahmen der Rotterdamer Polizei wären in Deutschland kaum denkbar. So gibt es z. B. das Instrument der präventiven Durchsuchung. Dieses ermöglicht es der Polizei, ereignisunabhängig beliebige Bereiche der Stadt abzusperren und dort jeden Bürger zu durchsuchen. Die Präsenz der Beamten im öffentlichen Straßenraum ist in den Risikobezirken hoch. Auch wenn an jeder zweiten Ecke ein Uniformierter steht, wirkt die Szenerie dennoch kaum bedrohlich. Der Beamte lehnt meist nur locker an seinem Fahrrad. Aber er ist eben da.
Immer wieder stößt man in Rotterdam auf praxisorientierte Lösungen. Der Polizeiabschnitt im Stadtteil Slinge fackelt nicht lange, wenn mehrmals mit unsicheren oder nicht zugelassenen Mopeds herumgeknattert wird: Bei der zweiten Ordnungswidrigkeit wird die Kiste eingezogen und verschrottet. Im präventiven Bereich ist man mit dem Projekt „Watch Out" allerdings auch gut aufgestellt. Hier gehen junge Menschen im Alter zwischen 16 und 22 Jahren im Auftrag und unter Anleitung der Polizei Streife. Sie tragen Uniformen, sind aber nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Der Aufgabenbereich umfasst reine Beobachtung und Berichterstattung an die Polizei. Die Tätigkeit wird gering entlohnt und als Praktikum für eine Ausbildung im privaten Sicherheitsdienst anerkannt. Der Sinn der Aktion ist nicht, die jungen Leute in einem Wohngebiet gegeneinander auszuspielen, wie ich anfangs misstrauisch mutmaßte, sondern das Verantwortungsgefühl für das eigene Umfeld zu entwickeln und zu stärken. Raed Saleh, ein Berliner SPD-Abgeordneter mit libanesischem Migrationshintergrund, führt mit Jugendlichen in Berlin-Spandau ein vergleichbares Projekt durch. Auch er kann bezüglich der beteiligten Jugendlichen beachtliche Erfolge vorweisen.
Wie in jeder anderen von uns besuchten Stadt beschäftigt uns auch in Rotterdam der Bereich Schule ganz besonders. Wir besuchen eine Grundschule in einem überwiegend von Einwanderern bewohnten Stadtteil. Der Direktor schockt uns zunächst einmal mit dem Eingangsstatement, man befinde sich in einer „schwarzen" Schule. Alle 240 Schüler haben einen Migrationshintergrund. Er freut sich darüber und begründet dies einleuchtend: Wird die Bildungsstätte als „schwarz" eingestuft, ist sie gegenüber „weißen" Schulen personell und materiell besser ausgestattet. Vom Jugendamt aus wurde ein „Elterncoach" bestimmt. Dieser hat bei hartnäckiger Verweigerungshaltung die Befugnis, Auflagen zu erteilen. Eine solche Möglichkeit haben die Jugendämter in Deutschland im Prinzip auch. Nur bleiben sie meist an dem Punkt der Auflagenerteilung stehen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die entsprechenden Falldarstellungen. In den Niederlanden besteht auf der repressiven Ebene noch die zusätzliche Möglichkeit, die Sozialleistungen zu kürzen, wenn die Eltern den Auflagen nicht nachkommen - auch bei uns ein immer wieder diskutierter Vorschlag, der bisher keine Aussicht auf Umsetzung hat. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass hier bereits ein Umdenkprozess im Gange ist.
Holländische Schulen arbeiten im Übrigen auch ohne Scheu mit der Polizei zusammen - eine Beobachtung, die ich übrigens bei allen Besuchen im europäischen Ausland gemacht habe. Glücklicherweise bröckelt inzwischen auch in Deutschland die Einstellung, die Schule sei ein Schonraum, in dem die Polizei nichts zu suchen habe.
Schließlich besitzt die niederländische Grundschule ein Instrumentarium, das die Eltern mindestens dreimal im Jahr in die Einrichtung bringt: Die Zeugnisausgabe erfolgt ausschließlich an die Sorgeberechtigten. So kann immer gleich ein Gesprächsangebot gemacht werden, wenn es mit einem Kind schulische Probleme gibt oder den Lehrkräften andere Umstände auffallen, die erörterungsbedürftig erscheinen.
Im Weiteren möchte ich hier noch auf den Bereich der Berufsausbildung in Rotterdam hinweisen. Die Stadt hat kein größeres Problem mit der Arbeitslosigkeit, die hier bei acht Prozent liegt. Dennoch gibt es das Jugendberufshilfezentrum, das jungen Menschen bei der Ausbildungsplatz- und Berufsorientierung behilflich sein soll. Hier werden neben der üblichen Beratung und Vermittlung von
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