Das Ende der Geduld
Arbeits- und Ausbildungsplätzen die privaten Unternehmen in die Tätigkeit einbezogen. Es sind direkt in den Räumlichkeiten des Zentrums Plätze eingerichtet, die die Arbeitgeber nutzen können, um persönlich, jederzeit und vor Ort mit den arbeitssuchenden Personen in Kontakt zu treten. In größeren Veranstaltungen, sogenannten „speed-meetings", wandern junge Menschen im Dreiminutentakt von einem Arbeitgebertisch zum nächsten und informieren sich auf diese Weise auf direktem Weg über die freien Stellen. Auch dieser Ansatz hat mich überzeugt: kein Bewerbungsschreiben, keine frustrierende Ablehnung nach langem Hoffen und Bangen; praxisnah, bedürfnisorientiert von beiden Seiten aus, offen und ehrlich. Allerdings erwartet man in Rotterdam auch, dass das Angebot des Jugendberufshilfezentrums in Anspruch genommen wird. Ist dies nicht der Fall, entfällt die Sozialunterstützung.
Mir scheint das gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein innerhalb einer Stadt wie Rotterdam noch ausgeprägter zu sein als in anderen Großstädten. So besuchten wir Mittelklasserestaurants, die seit Jahren viele problematische junge Erwachsene im Praktikumsbereich beschäftigen und auf diese Weise fit für den ersten Arbeitsmarkt machen. Auch im Bereich des riesigen Containerhafens gibt es ein interessantes Projekt für benachteiligte Migrantenjungen: „Assistent Logistic" entstand in Kooperation zwischen dem Arbeitsamt, der Hafenverwaltung und dem Ausbildungszentrum für maritime Berufe. Die jungen Männer lernen vorrangig, Container auf den Schiffen zu sichern. Dies ist eine körperbetonte Arbeit, die kein fundiertes theoretisches Wissen erfordert, was nicht heißt, dass der eine oder andere „Spätzünder" sich nicht weiterqualifizieren kann. Es wird im Schichtdienst gearbeitet und die Entlohnung kann sich sehen lassen. Sie beträgt immerhin netto 1700 Euro monatlich.
Der Gedanke, arme Menschen könnten hier lediglich ausgebeutet werden, der mir reflexartig in den Sinn kam, verflüchtigte sich angesichts dieser Zahl umgehend.
Was wir von anderen Lernen können -
wo wir besser sind
Der Zusammenhang zwischen Integration, sozialen Problemen, mangelnder Schulbildung und Jugendkriminalität ist überall sichtbar geworden. Alle Großstädte haben „Problemviertel", in denen sich vor allem Migrantenfamilien ballen. Die Kinder dieser Familien begehen den überwiegenden Teil der Gewalttaten, obwohl in jeder Stadt soziale Angebote unterbreitet werden und die Arbeitslosigkeit weitaus geringer ist als in Berlin.
Ich stelle fest, dass die Segregation vielerorts in Europa bereits akzeptiert wird. Die Verantwortlichen investieren deshalb in den sogenannten „schwarzen Vierteln" mehr Geld und Personal. Allerdings ist die Kürzung von Transferleistungen kein Tabu, wenn Auflagen nicht erfüllt werden.
Mit dem Datenschutz wird in allen vier Städten flexibler umgegangen als in Deutschland. Der Informationsaustausch der beteiligten Institutionen ist deshalb umfassend und ergiebig. Norwegen, Schottland, England und die Niederlande sind demokratische Rechtsstaaten. Da die dortigen Gesetze Datenfluss zulassen, sollte in Deutschland darüber nachgedacht werden, inwieweit wir uns in diesem Themenbereich angleichen können. Ich halte einen erweiterten Austausch von Erkenntnissen und Daten zwischen den beteiligten Behörden für einen wesentlichen Bestandteil des Konzeptes, das wir benötigen, um unsere Probleme in den Griff zu bekommen.
Die präventiven Ansätze des wohlhabenden Oslo und die konsequente Verknüpfung sozialer Angebote und repressiver Maßnahmen in Rotterdam bieten aus meiner Sicht interessante Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Strategie gegen Jugendgewaltkriminalität auch bei uns.
Ein großer Vorteil Deutschlands gegenüber den anderen Ländern ist, dass wir über das Jugendgerichtsgesetz verfügen. Es bietet viele Möglichkeiten, auf Straftaten junger Menschen variabel zu reagieren. Auch die konsequente Verfolgung von Intensivtätern scheint mir in den anderen Ländern bislang wenig strukturiert zu sein. Allein die Kategorisierung der Straftäter fällt häufig schwer. Hier liegen die von mir besuchten Städte weit hinter uns.
Neue Wege gehen
Das Neuköllner Modell
Nachdem ich anhand vieler Verfahren und durch jahrelange Beobachtung der Entwicklungen festgestellt hatte, dass die Justiz trotz der eigenständigen Jugendgerichtsbarkeit die Probleme nicht lösen kann, und auf diesen Umstand seitdem auch immer
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