Das Ende der Nacht: Horror-Roman
verbuchen. Die Täter gehen mit äußerster Brutalität vor und kennen keine Gnade. Es wird dringend dazu geraten, zu Hause zu bleiben, bis die Sache wieder unter Kontrolle ist. Experten, die zu dieser späten Stunde zu Rate gezogen wurden, sind der Meinung, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis die Gewalt auf Hamburgs Straßen offen und ohne Kompromisse ausgeführt werde. Ein schrecklicher Tag mit vielleicht noch schrecklicheren Folgen. Was die Menschen zu ihrem Verhalten treibt, ist bisher unklar. Unbestätigten Meldungen zufolge könnte es sich auch um das Treiben einer Sekte handeln, die sich bisher im Untergrund organisiert hatte...“
Xaver hatte genug gehört und legte seine Kassette wieder ein. James Hetfield sang davon, dass man Feuer mit Feuer bekämpfen müsse. Ich hatte recht, dachte Xaver, der Wahnsinn dieses Tages kann nicht dem Zufall entsprungen sein. Vielleicht lag die Dunkelziffer der Morde noch um einiges höher. Wie viel wurde nicht gemeldet? So viele Menschen konnten doch nicht in einer einzigen Nacht einfach so zu solchen Taten fähig werden. Und einer Sekte gehörte er ganz gewiss nicht an. Und auch nicht die beiden toten Jungs bei Christina. Vielleicht gab es eine ganz einfache Antwort: Die Welt war verrückt geworden. Geistig krank, pathologisch aggressiv. Er wusste es nicht und klopfte im Takt der Musik auf sein Lenkrad.
Die Hauptstraßen waren jetzt belebter. Vereinzelt liefen Menschen über die Fahrbahn. Ein Mal war Xaver gezwungen abzubremsen. Was zum Teufel? Unüberlegt und ohne sich umzublicken rannten sie über die Straße. Entweder flohen sie oder sie verfolgten. Es war nicht zu definieren. Wieder und wieder wurde er in seinen Gedanken unterbrochen, weil er den Leuten hinterher sah. Dabei fühlte er sich endlich imstande, an seine Frau zu denken. An die Schüsse, die ihr Gesicht zerfetzten. Und Mickey? Und der Junge auf der Straße? Ich bin ein Amokläufer, dachte er. Wie die beiden Jung-Dandys im Haus seines Bruders. Xaver dachte an Günther, dass er ihn als nächstes töten wollte. Einfach erschießen oder... Konzentriere dich! Fahr zum Revier, schau, wo man Hilfe braucht. Und... nimm dir ein Gewehr aus dem Schrank und zerteile die Köpfe deiner Kollegen wie überreife Melonen.
Es war in Bramfeld, als zwei Männer in Lederkluft hinter einem Jungen herliefen, der dabei um sein Leben schrie. Die beiden Männer konnten Vater und Sohn sein, ein familiärer Jagd-Ausflug. Und sie bewegten sich mit der Eleganz von Raubtieren. Der letzte Rest eines menschlichen Gehirns schien ausgelöscht. Erst als Xaver langsamer fuhr, erkannte er ihre Werkzeuge, das Messer in der Hand des einen, den Hammer in der des anderen.
Vielleicht hatte er deshalb Kevin geholfen und sein Schicksal war ihm wichtig. Während er sich nämlich vorstellte, die beiden Männer in blutige, leblose Massen zu verwandeln, hing sein Herz an dem Kind, das vor den beiden floh. Es ging ihm zu weit, ihm, einen dreifachen Mörder ohne Skrupel. Und genauso wie er nicht kontrollieren konnte, was er den Menschen in seiner Nähe angetan hatte, so nahm er sich vor, dem Jungen zu helfen.
Der ältere von den beiden Männern fiel hin (also doch nicht das elegante Raubtier) und sein Sohn half ihm wieder auf. Der Junge hatte sich im Laufen umgedreht und nutzte nun seine Chance, die Straßenseite zu wechseln. Xaver hielt an, wartete, was die Männer, keine zwanzig Meter vor ihm, als nächstes tun würden.
Oh ja! Das ist es.
Sie gingen ebenfalls auf die Straße, schienen sich zu beraten, ob es sich lohnte, dem Jungen weiter nachzulaufen, der mittlerweile in eine Seitenstraße eingebogen war. Xaver trat das Gaspedal durch und ließ die Kupplung kommen. Der Honda fuhr mit einem Ruck in die beiden Männer und schleuderte sie wie menschliche Kegel auf die Motorhaube. Xaver setzte zurück, sah ihre gekrümmten Leiber auf dem Asphalt und fuhr wieder an. Als die Vorderreifen seines Wagens über ihre Körper knackten, verlor Xaver die Kontrolle über den Wagen. Der Honda schlug nach rechts aus und unter lautem Getöse und Klirren raste er in eine Bushaltestelle. Xaver schlug mit dem Kopf auf das Lenkrad und war für Sekunden ausgeschaltet.
Er hatte seinen Augen nicht getraut, als er vor zwei Stunden aus dem Fenster schaute. Auf offener Straße vergewaltigten drei Typen eine Frau, einfach so. Und niemand kam, keine Polizei, keine Notarztwagen. Die Truppe zog einfach weiter und überfiel an der nächsten Ecke eine Kneipe, zerrte ihren
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