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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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falschen Vorstellung auf, es gebe »freie« Daten, die nicht schützenswert seien und deshalb frei von allen Datenschutzregeln genutzt werden dürften. Das Gericht erinnerte daran, dass der Missbrauch von Daten, die wenig sensibel erscheinen, in bestimmten Kontexten die Persönlichkeitsrechte erheblich beeinträchtigen könnte. So ist die Angabe des Geschlechts bei Transsexuellen höchst schützenswert; das Gleiche gilt auch für Adressen von adoptierten Kindern oder von Personen, deren Leben und körperliche Unversehrtheit durch ein Zeugenschutzprogramm gewährleistet werden soll.
    Weil es sich beim Datenschutz um ein Grundrecht handelt, kann es nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden, das bestimmten Anforderungen genügt: Die Erhebung und Verarbeitung muss im überwiegenden Allgemeininteresse liegen, die Voraussetzungen und der Umfang der Datenverarbeitung müssen für den Bürger nachvollziehbar geregelt werden, und schließlich muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Dies bedeutet, dass nur Daten erhoben werden dürfen, soweit sie für die Erfüllung der Fachaufgabe erforderlich sind – die bloße Nützlichkeit von Daten (»nice to have«) reicht nicht aus. Schließlich muss ihre weitere Verwendung grundsätzlich auf den ursprünglichen Zweck begrenzt bleiben.
    In einer Vielzahl weiterer Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht das anfangs umstrittene Recht auf informationelle Selbstbestimmung bestätigt, weiter ausgebaut und verfeinert. Auf einige dieser Entscheidungen – etwa zum »Großen Lauschangriff« – wird später noch einmal einzugehen sein (vgl. 3.2).

Datenschutz in der Verrechtlichungsfalle
     
    Das Volkszählungsurteil hat den Datenschutz jedoch nicht nur nachhaltig gestärkt. Wegen des Gesetzesvorbehalts bei jeder staatlichen Datenerhebung und -verarbeitung war es zwar konsequent, dass nun in vielen Bereichen gesetzgeberische Aktivitäten entfaltet wurden, mit denen man den Umgang mit personenbezogenen Daten regelte. Dem Gesetzgeber ging es dabei allerdings häufig weniger darum, den Umfang der Verarbeitung zu beschränken. Im Vordergrund stand vielmehr allzu oft die gesetzliche Absicherung der behördlichen Praxis oder sogar die Schaffung von zusätzlichen Verarbeitungsbefugnissen. In dieser Beziehung waren die Folgen des Volkszählungsurteils also eher ernüchternd. Viele Verantwortliche in Verwaltung und Politik scheinen die Kernbotschaft des
    Bundesverfassungsgerichts grob missverstanden zu haben, die darin besteht, den Menschen vor einer ausufernden Verarbeitung seiner Daten und vor unangemessener Überwachung zu schützen.
    Im Ergebnis explodierte der Umfang gesetzlicher »Datenschutzregeln« geradezu. Statt die Behörden zu einer kritischen Überprüfung ihrer Praxis zu veranlassen, wurde bei diesen erhebliche schöpferische Phantasie freigesetzt, wenn es darum ging, die Gesetze um die Praxis herum zu formulieren und diese dadurch abzusichern. Kritiker dieser Entwicklung sprechen zu Recht davon, dass der Datenschutz in eine »Verrechtlichungsfalle« getappt sei, und sehen teils sogar im Rückblick einen »Pyrrhussieg des Datenschutzes« (Simitis).
    Die formale Verrechtlichung des Datenschutzes hat zur Konsequenz, dass es heute praktisch niemanden gibt, der auch nur die genaue Zahl der datenschutzrechtlichen Bestimmungen von Bund und Ländern kennt, die seither in Gesetzen und Verordnungen Eingang gefunden haben. Die Verrechtlichung hat ferner dazu geführt, dass im Gesetzesvollzug häufig nicht nach Sinn, Zweck und Angemessenheit der Datenverarbeitung gefragt wird. Vielmehr konzentrieren sich die Verantwortlichen auf die Suche nach einer »passenden« Norm, die sich zumeist auch irgendwo findet. Wenn diese Suche trotz allen Bemühens erfolglos bleibt, gibt es im Prinzip zwei Reaktionsmuster: Entweder wird eine solche Norm nun geschaffen (»Hier ist der Gesetzgeber gefragt«), oder man beklagt: »Der Datenschutz verhindert wieder einmal...« – wobei nicht einmal hinterfragt wird, ob sich der angestrebte Zweck vielleicht auch auf anderem Wege, also ohne oder mit weniger Daten, erreichen ließe.
    Auch für die Betroffenen bringt diese Regelungsflut erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Sie wissen nicht mehr, in welchem Gesetz jeweils die einschlägigen datenschutzrechtlichen Rechte und Pflichten zu finden sind. Wenn die Suche schließlich doch noch eine passende Spezialbestimmung zutage gefördert hat, bleibt diese zumindest für Nichtjuristen oft vom

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