Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
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Inzwischen zeichnet sich ab, dass SWIFT seine Infrastruktur grundlegend ändert. Insbesondere würden nach diesen Überlegungen nicht mehr alle Daten in beiden Rechenzentren gespiegelt, mit der Konsequenz, dass im US-Rechenzentrum nur noch die Daten von Überweisungen aus den oder in die Vereinigten Staaten von Amerika gespeichert werden. Die Realisierung dieser Überlegungen wäre ein wichtiger Erfolg für den Datenschutz.
Antiterrorlisten
Die USA führen mehrere Listen, in die Personen eingetragen werden, von denen man einen Zusammenhang mit dem Terrorismus vermutet. Auch der Sanktionsausschuss der Vereinten Nationen hat Listen über terrorverdächtige Personen und Organisationen beschlossen. Personen, die auf diesen Listen erscheinen, unterliegen umfangreichen Beschränkungen, die von Wirtschafts- und Finanzsanktionen über Einreiseverbote bis hin zum Einfrieren ihrer Gelder und anderer Vermögenswerte reichen. Ein Eintrag in den genannten Listen kann gravierende existenzielle Folgen haben, wie das obige Beispiel belegt. Vielfach sind diese Personen nicht eindeutig bezeichnet, und es kommt zu Verwechslungen mit schwerwiegenden Folgen für völlig unverdächtige Personen. Besonders problematisch ist, dass gegen die Aufnahme in die Listen kein Rechtsschutz besteht. Die Datenschutzbeauftragten haben daher die Bundesregierung aufgefordert, bei den Vereinten Nationen und in der Europäischen Union auf die Einhaltung der rechtsstaatlich gebotenen Standards zu dringen. Dazu gehören insbesondere ein transparentes Listingverfahren, Entscheidungen auf einer gesicherten Tatsachenbasis, ein zweifelsfreier Identitätsnachweis und effektiver Rechtsschutz. Leider blieben diese Bemühungen bislang ohne Erfolg.
Zunehmende staatliche Befugnisse verlangen nach zusätzlichen unabhängigen Kontrollen, ob die Sicherheitsbehörden bei ihrer Umsetzung die rechtlichen Grenzen einhalten. Daher müssen die Handlungsmöglichkeiten der parlamentarischen Kontrollgremien effektiver ausgestaltet werden, und auch die Datenschutzbehörden müssen endlich sachlich und personell in die Lage versetzt werden, ihre zunehmend bedeutsame Aufgabe zu erfüllen.
Der Staat verlagert seine Aktivitäten immer weiter in das Vorfeld der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr. Sicherheitsbehörden konzentrieren sich nicht mehr auf die Beseitigung konkreter Gefahren und die Verfolgung begangener Straftaten, sondern sie gehen zunehmend der bloß abstrakten Möglichkeit von noch nicht einmal geplanten Taten nach. Dabei werden immer mehr Daten auf Vorrat gesammelt und damit eine Vielzahl unverdächtiger Menschen erfasst. Auch »unbescholtene« und völlig unverdächtige Bürgerinnen und Bürger werden als Risikofaktoren behandelt, ohne dass sie dafür irgendeinen Anlass gegeben haben. Dieses neue Verständnis von innerer Sicherheit schränkt die Freiheitsrechte immer weiter ein. So wurden ursprünglich zur Terrorismusbekämpfung geschaffene Befugnisse immer weiter ausgedehnt und bleiben nicht mehr auf Terrorverdächtige beschränkt, wie etwa beim Kontodatenabruf deutlich wird (vgl. 3.8).
Eine kritische Öffentlichkeit, die bei jeder Maßnahme gute Begründungen einfordert, könnte diese gefährlichen Tendenzen aufhalten. Entscheidend sind jedoch die Parlamente, die auch und gerade in schwierigen Lagen ihre Kontrollaufgaben wahrnehmen müssen. Sie können etwa die während aktueller Bedrohungssituationen eingeführten Befugnisse befristen und müssen sie immer wieder auf den Prüfstand stellen. Nur so besteht die Chance, dass Einschränkungen wieder zurückgenommen werden, die sich als nicht zweckmäßig, als unangemessen oder als nicht mehr erforderlich erweisen.
3.6 Bürger unter Generalverdacht?
Wie weit und mit welchen Methoden der Staat in Bürgerrechte eingreifen darf, unterscheidet Rechtsstaaten von autokratischen und diktatorischen Regimen. In Rechtsstaaten wird die Macht staatlicher Stellen durch Gesetze beschränkt, deren Einhaltung durch unabhängige Gerichte überwacht wird. Von besonderer Bedeutung sind die rechtsstaatlichen Grenzen bei der Gewährleistung der öffentlichen (oder »inneren«) Sicherheit und bei der Verfolgung von Straftaten. Hierfür sind in Deutschland – wie in vielen anderen demokratischen Staaten – unterschiedliche Stellen zuständig.
Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für »Sicherheit und Ordnung« abzuwehren. Zugleich handeln Polizisten als »Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft« und sind
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