Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
an deren Weisungen gebunden. Zur Durchsetzung ihrer Aufgaben kann die Polizei entsprechend ihren gesetzlichen Befugnissen Zwangsmittel einsetzen (etwa Durchsuchungen, Zeugenbefragung, Beschlagnahme, Verhaftung). Polizeibehörden verwenden neben offenen Ermittlungsmethoden in zunehmendem Maß auch »besondere Mittel« der Datenerhebung, zum Beispiel die Observation, den Einsatz verdeckter Ermittler oder die Rasterfahndung (vgl. 3.5).
Sehr bedenklich ist es, dass die Polizei immer weiter im Vorfeld von Straftaten oder konkreten Gefährdungssituationen Daten erhebt. Ein wichtiges Stichwort ist hier die »vorbeugende Bekämpfung von Straftaten«. Dabei handelt es sich weder um Strafverfolgung noch um Gefahrenabwehr im klassischen Sinne. Vielmehr wird aufgrund von abstrakten Gefährdungseinschätzungen angenommen, dass von bestimmten Personen, insbesondere wenn sie schon einmal straffällig geworden sind, weitere Gefahren ausgehen. Diesen Gefahren will man vorbeugen, indem man die betroffene Person beobachtet oder besonders registriert, etwa durch erkennungsdienstliche Behandlung, Erfassung in polizeilichen Datenbanken oder auch durch Aufnahme ihrer DNA-Daten in eine zentrale, vom BKA geführte Datei. Die so gewonnenen Erkenntnisse könnten ja irgendwann nützlich sein, wenn die Person (wieder) straffällig wird.
Besonders problematisch ist es, dass zunehmend auch ohne jeglichen Anfangsverdacht und ohne das Vorliegen einer konkreten Gefahr Daten gesammelt werden, etwa bei der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten (vgl. 3.3) oder bei der automatischen Auswertung von Kfz-Kennzeichen (vgl. 2.5). Im Grunde handelt es sich dabei um die logische Fortführung der bereits dargestellten Argumentationslinie, allerdings mit dem Unterschied, dass hier ganz überwiegend Daten von Menschen erfasst werden, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen und bei denen auch keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, dass sie jemals straffällig werden. Letztlich handelt es sich also um einen Generalverdacht gegen jedermann.
Die Tendenz, die polizeiliche Datenerhebung immer weiter vorzuverlegen und auszuweiten, bedroht letztlich den Rechtsstaat. Die Eingriffsschwellen für staatliche Überwachung und Registrierung werden dabei immer weiter abgesenkt und drohen zu verschwinden. Setzt sich diese Entwicklung fort, könnten letztlich Daten über jedermann in nahezu allen Lebenslagen erhoben und gespeichert werden, da ja nicht auszuschließen ist, dass die Daten in irgendeinem Zusammenhang der Gefahrenabwehr nützen oder die Strafverfolgung erleichtern können.
Nicht jede geforderte und beschlossene Befugniserweiterung genügt den strengen Bedingungen unserer Verfassung. Es ist zwar erfreulich, dass das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren manche zu weit gehende polizeiliche oder nachrichtendienstliche Befugnis, etwa zur akustischen Wohnraumüberwachung (vgl. 3.2), die Rasterfahndung, die präventive polizeiliche Telekommunikationsüberwachung oder die Befugnisse des BND zur strategischen Fernmeldeüberwachung, korrigiert hat. Von den Parlamenten und den Regierungen ist allerdings zu fordern, dass derartige Grenzüberschreitungen gar nicht erst vorkommen.
Polizei und Nachrichtendienste rücken zusammen
Nie wieder sollte es in Deutschland eine Geheime Staatspolizei (Gestapo) geben – darin waren sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes und die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg einig. Deshalb wurden polizeiliche und nachrichtendienstliche Befugnisse strikt getrennt und den verschiedenen Behörden unterschiedliche Befugnisse zugewiesen. Dieses sogenannte »Trennungsgebot« hat Verfassungsrang. Angesichts der Erfahrungen mit dem Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) der DDR (vgl. 1.4) ist es nicht verwunderlich, dass einige ostdeutsche Bundesländer das Trennungsgebot ausdrücklich in die Landesverfassungen aufgenommen haben (Sachsen, Brandenburg und Thüringen). Das Trennungsgebot steht seit Längerem unter Beschuss. Bereits 1998 forderte der frühere Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU), die Hürden bei der Zusammenarbeit zwischen Geheimdienst und Polizei zu beseitigen. Die Aufweichung der Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten wird vor allem mit der Terrorismusbekämpfung begründet (vgl. 3.5). So wurde bereits kurze Zeit nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von Innenpolitikern gefordert, die Datenbestände von Polizei und Nachrichtendiensten miteinander zu verknüpfen oder sogar in einem
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