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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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Strafverfolgungsbehörden verlassen. Dies wird nur teilweise dadurch kompensiert, dass die Betroffenen im Nachhinein zu informieren sind. Zudem zeigen die praktischen Erfahrungen, dass die gesetzlich vorgesehene Unterrichtung allzu häufig unterbleibt.
    Zwar sind die der Polizei zur Verfügung stehenden verdeckten Ermittlungsmethoden gesetzlich – in der Strafprozessordnung und in den Polizeigesetzen – geregelt und unterscheiden sich in dieser Hinsicht von den nachrichtendienstlichen Mitteln, deren sich BND, MAD und Verfassungsschutz bedienen. Hinsichtlich der Ausführung ähneln sie sich jedoch wie ein Ei dem anderen: Ob ein Telefon von der Polizei oder vom Verfassungsschutz abgehört wird, mag rechtlich einen Unterschied machen; technisch ist es jedoch das Gleiche. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass Vertreter der Nachrichtendienste immer wieder ihr Missfallen über die Tendenz ausdrücken, dass die Polizei verstärkt in ihrem Arbeitsfeld »wildere« und sich dabei sogar der gleichen Mittel wie sie bediene.
    Auch die Arbeitsfelder von Polizei und Nachrichtendiensten überschneiden sich immer stärker. Die Aufgaben und auch die Beobachtungsobjekte der diversen Behörden waren bei deren Einrichtung nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland noch klar voneinander geschieden. Die Polizei widmete sich der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr, der Verfassungsschutz sammelte Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen, der Bundesnachrichtendienst konzentrierte seine Aktivitäten (zumindest offiziell) auf das Ausland, während der später eingerichtete Militärische Abschirmdienst die Sicherheitsbelange der Bundeswehr zu schützen hatte. Heute stellt sich die Situation völlig anders dar: Der Verfassungsschutz hat neben der Beobachtung des Extremismus auch die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu bewerkstelligen. Ferner soll er in einigen Bundesländern die Organisierte Kriminalität bekämpfen und Informationen über religiöse Sekten sammeln. Der Bundesnachrichtendienst richtet seine Augen verstärkt auch ins Inland und kümmert sich um internationalen Rauschgift- und Waffenhandel sowie die internationale Geldwäsche.
    Dass die zunehmende Überlappung bei Aufgaben und Aktionsfeldern kontraproduktiv ist, wird immer deutlicher. So lehnte das Bundesverfassungsgericht 2003 die Verbotsanträge gegen die NPD vor allem deshalb ab, weil sich in deren Führungsgremium die V-Leute verschiedener Sicherheitsbehörden gegenseitig beobachteten und den Kurs der Partei maßgeblich beeinflusst hatten.
    Da sich Sicherheitsapparate generell gegen Blicke von außen abzuschotten pflegen, sind Tendenzen zu ihrer Verselbstständigung hier besonders ausgeprägt. Kontrollen – von wem auch immer, durch Gerichte, parlamentarische Gremien und Datenschutzbeauftragte – werden von ihnen vielfach eher als lästig erachtet. Umso wichtiger ist es, genau diese Kontrollfunktionen zu stärken und die Kontrollen zu koordinieren, was bislang viel zu wenig geschieht. Dies würde letztlich auch der öffentlichen Sicherheit nützen, denn Apparate, die man sich selbst überlässt, arbeiten erfahrungsgemäß nicht allzu effektiv.

3.7 Die Kehrseite des Sozialstaats
     
    Die Bürger werden nicht nur als Sicherheitsrisiko betrachtet, sondern sie werden auch fürsorglich überwacht. Eine Vielzahl von Institutionen soll uns in besonderen Lebenslagen und in ganzen Lebensabschnitten unterstützen. Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Krankenversicherung und Sozialhilfe sollen den Einzelnen auch in persönlichen Notlagen auffangen. Der Geldbetrag, der jährlich über Sozialleistungen umverteilt wird, übersteigt bei Weitem die Größenordnung des Bundeshaushalts.
    Während der polizeilichen Datenverarbeitung »das Kainsmal der Überwachung« 44 quasi auf die Stirn geschrieben ist, bringt kaum jemand den Sozialstaat mit dem Begriff »Überwachung« in Verbindung. Gleichwohl sind die Sozialleistungsträger mit Abstand diejenigen staatlichen Institutionen, die am meisten über die Bürger wissen und die über die umfangreichsten personenbezogenen Datensammlungen verfügen. Die von ihnen gespeicherten Informationen sind zudem besonders sensibel, etwa Angaben über den Gesundheitszustand, zur Bedürftigkeit, über Familienzusammenhänge.
    Auch wenn es bislang keinen zentralen Datenpool gibt, in dem die Daten aller Sozialversicherungen gemeinsam gespeichert sind, werden gleichwohl die Datenbestände immer stärker

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