Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
gemeinsamen Datenpool zusammenzulegen.
Auch wenn diese Forderung auf den ersten Blick plausibel erscheint, dürfen die mit einer Zusammenfassung der sehr unterschiedlichen Informationsbestände verbundenen Gefahren nicht unterschätzt werden. Wenn ungesicherte nachrichtendienstliche Informationen ungefiltert der Polizei zur Verfügung stehen, wären zumindest dieser Teil des polizeilichen Wissens und die damit in Zusammenhang stehenden Aktivitäten nicht mehr in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Ein Vollverbund der Sicherheitsbehörden würde zudem die Tendenz verstärken, dass die für die Sicherheit zuständigen Behörden ein immer schwieriger zu durchschauendes und demokratisch zu steuerndes Eigenleben entwickeln. Die bei den Ermittlungen des BND-Untersuchungsausschusses 2007 bekannt gewordenen Aktivitäten von Mitarbeitern der Nachrichtendienste liefern ein warnendes Beispiel dafür, wie sich das Fehlen einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle auswirken kann.
Im Vergleich mit der Polizei ist das Arbeitsfeld der Nachrichtendienste deutlich weiter gefasst. Sie sammeln Informationen über extremistische oder verfassungsfeindliche »Bestrebungen« und handeln dabei verdeckt. Ihr Aufgabenspektrum reicht von der Spionageabwehr über die Terrorismusbekämpfung bis zur Beobachtung religiöser Sekten. Die Dienste sammeln Informationen bereits sehr weit im Vorfeld. Sie erfassen auch solche Daten, die von Informanten oder von ausländischen Nachrichtendiensten stammen und deren Wahrheitsgehalt nicht gesichert ist. Davon betroffen sind auch Personen, die sich völlig legal verhalten, keinerlei Straftaten planen oder auch nicht auf andere Weise zu Gefährdungen beitragen. Insbesondere kommt es zu derartigen Konstellationen, wenn es sich um »Kontakt- oder Begleitpersonen« handelt.
Die Vernetzung und Kooperation von Polizei und Nachrichtendiensten ist in den letzten Jahren erheblich ausgebaut worden. So hat Ende 2004 in Berlin ein gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) seine Arbeit aufgenommen, in dem Beamte des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter und der Nachrichtendienste zusammenarbeiten. Überprüfungen des GTAZ haben schwerwiegende datenschutzrechtliche Mängel offenbart. Es wurde festgestellt, dass das BKA eine Vielzahl personenbezogener Daten ohne Rechtsgrundlage an das Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelt hatte. Diese Daten waren weder zur Terrorismusbekämpfung noch zur sonstigen Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes erforderlich.
Auch bei der im Frühjahr 2007 in Betrieb genommenen gemeinsamen »Antiterrordatei« von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten erhebt sich die Frage, ob sie mit dem Trennungsgebot vereinbar ist. Die Nachrichtendienste stellen nicht nur Daten über Terrorverdächtige, sondern auch über »Kontaktpersonen« in die gemeinsame Datei ein. So könnten etwa die Daten von Bewohnern eines Studentenwohnheims, in dem auch ein Terrorverdächtiger wohnen soll, Familienangehörigen von Zielpersonen oder Anwälten in die Datei aufgenommen werden, ohne dass diese Personen irgendetwas mit terroristischen Bestrebungen zu tun haben. Bemerkenswert ist, dass bereits bei Aufnahme des Wirkbetriebs mehr als 13 000 Personen in der Antiterrordatei gespeichert waren und nicht nur die »rund hundert terroristischen Gefährder«, von denen im Vorfeld der Gesetzgebung bisweilen die Rede war.
Angesichts der aktuellen Diskussion darf nicht vergessen werden, dass die Trennlinien zwischen Nachrichtendiensten und Polizei bereits seit Jahren verschwimmen. Die Polizeibehörden erhalten in immer stärkerem Umfang verdeckte Ermittlungsbefugnisse, die bisher den Nachrichtendiensten vorbehalten waren (etwa Observation, verdeckte akustische oder optische Überwachung, Einsatz verdeckter Ermittler). Zu den verdeckten Ermittlungsmethoden gehören auch die Rasterfahndung (vgl. 3.5) und die präventive Telekommunikationsüberwachung (vgl. 3.3). Kritiker bezeichnen diese Entwicklung zu Recht als »Vergeheimdienstlichung« der Polizei.
Verdeckte Ermittlungsmethoden sind rechtsstaatlich insbesondere deshalb problematisch, weil sie ihrer Natur nach ohne Kenntnis der von ihnen betroffenen Personen ablaufen. Zwar müssen die meisten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen durch einen Richter angeordnet werden (jedenfalls im Regelfall – in sehr dringenden Angelegenheiten kann auch der Staatsanwalt einspringen), doch muss sich der Richter bei seiner Entscheidung auf die einseitige Darstellung der
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