Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
umfangreicheren, rasch abrufbaren Datensammlungen. Die etwa bei einem Bauantrag oder der Beantragung einer Sozialleistung erhobenen Angaben sind im elektronischen Archiv jederzeit verfügbar und können prinzipiell mit Daten aus anderen Vorgängen oder mit solchen anderer staatlicher Stellen abgeglichen werden. Diese technischen Möglichkeiten wecken ein verstärktes Interesse daran, vorhandene Informationen auch für andere Zwecke zu verwenden.
Daten aus verschiedenen Verwaltungsbereichen werden immer häufiger miteinander verknüpft und zu Profilen der Betroffenen zusammengeführt. Bei der Papierakte war dies allein aus Gründen des Zeitaufwands praktisch unmöglich. Die von einer allwissenden Verwaltung ausgehenden Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung wurden schon frühzeitig erkannt. So erklärte das Bundesverfassungsgericht bereits 1969 47 , dass eine umfassende Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch die Zusammenführung einzelner Lebensdaten und Personaldaten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen der Bürger unzulässig ist. Dementsprechend wäre die Verwendung eines einheitlichen Personenkennzeichens (PKZ) unzulässig, mit dem sich die verschiedensten staatlichen Datenbestände zusammenführen ließen.
Auch die Vergabe bereichsspezifischer Personenkennzeichen kann datenschutzrechtlich bedenklich sein, wenn diese Nummern letztlich doch in den verschiedensten Verfahren verwendet werden. So wird der in Italien vor einigen Jahren für steuerliche Zwecke eingeführte »Codice Fiscale« inzwischen praktisch als allgemeines Personenkennzeichen genutzt. Praktisch bei jedem Kontakt mit staatlichen oder kommunalen Stellen muss die Steuernummer angegeben werden. Selbst bei Handyverträgen und bei der Bezahlung der Strom- oder Wasserrechnung wird die Nummer verlangt. Aus diesem Grund ist die Einführung einheitlicher Steuernummern, die mit der Geburt vergeben werden und jeden Einzelnen sein Leben lang begleiten sollen, sehr bedenklich.
Der Gesetzgeber hat sich von dieser Kritik allerdings nicht beeindrucken lassen und bereits 2003 die Einführung der Steuer-ID beschlossen. Seit 1. Juli 2007 werden die entsprechenden Daten aus den kommunalen Registern zusammengeführt. Spätestens Ende 2008 soll diese erste Durchnummerierung der deutschen Bevölkerung abgeschlossen sein.
Identitätsmanagement
Das alte Problem, wie sich die Bürger staatlichen Stellen gegenüber identifizieren können, hat mit der elektronischen Kontaktaufnahme eine neue Dimension bekommen. Wie ist bei einem über das Internet gestellten Antrag sicherzustellen, dass es sich bei dem Antragsteller wirklich um die im Formular angegebene Person handelt? Wie kann gewährleistet werden, dass die Daten nicht von Dritten manipuliert wurden? Verstärkt auftretende Fälle, bei denen Betrüger mit gefälschten oder gestohlenen elektronischen Identitätsdaten agieren (»Identity Theft«) und großen Schaden anrichten, unterstreichen die zunehmende Bedeutung der elektronischen Identitätssicherung bzw. »Authentifizierung«.
Die Frage, wie die Identität der Bürger beim Kontakt mit der Verwaltung festgestellt werden kann, darf angesichts der eindeutigen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht durch den vermeintlich einfachen Weg einer Durchnummerierung der Bevölkerung gelöst werden. Ein datenschutzfreundliches Identitätsmanagement muss sichere Prozesse zur Authentifizierung des Nutzers zur Verfügung stellen und zugleich die unzulässige Verwendung seiner Daten verhindern. Insbesondere muss die Verknüpfung von Daten, die von verschiedenen Stellen für unterschiedliche Zwecke erhoben wurden, grundsätzlich unterbleiben.
Erfahrungen aus unserem südlichen Nachbarland zeigen, dass sich ein System realisieren lässt, das diesen Anforderungen genügt. In Österreich ist bereits vor einigen Jahren ein Projekt in Betrieb gegangen, bei dem die Bürger sich gegenüber der Verwaltung mittels elektronischer Signatur authentifizieren. Dabei werden verschiedene bereichsspezifische »Identitäten« vergeben, je nachdem, ob Sozialhilfe beantragt, Steuern berechnet oder – im privatwirtschaftlichen Verkehr – Waren im Internet bestellt werden. In den Dateien und Akten der Behörden (und Firmen) werden die Bürger jeweils mit unterschiedlichen Identifikationsnummern geführt. Die Zusammenführung der elektronischen Identitäten kann nur fallbezogen und nur dann erfolgen, wenn die unabhängige österreichische Datenschutzkommission
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