Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
unterschiedlichen Sensibilität der jeweils erhobenen Daten als vielmehr darin, dass staatliche Stellen – anders als Unternehmen – über Zwangsmittel verfügen, mit denen sie ihre hoheitlichen Aufgaben ausüben und dabei auch personenbezogene Daten erheben, zum Teil unter Einsatz verdeckter Methoden.
Die vom Staat beim Bürger eingeforderten oder über ihn erhobenen Daten sind Ausdruck eines (gewollten) Machtgefälles. Ein ähnliches Machtgefälle besteht allerdings vielfach auch in der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden. Während die staatlichen Datenverarbeitungsbefugnisse detailliert gesetzlich geregelt sind, wird der zulässige Umfang der Datenverarbeitung nicht staatlicher Stellen überwiegend durch Interessenabwägungen im Einzelfall bestimmt – das Bundesdatenschutzgesetz beschränkt sich hier auf eher allgemeine Grundsätze. So ist es generell zulässig, dass ein Unternehmen diejenigen Daten seiner Kunden (und auch seiner Beschäftigten) speichert, die es zum Vertragsabschluss und zur Vertragserfüllung benötigt. Während sich der zulässige Umfang der Datenverarbeitung hierbei aus der vertraglichen Beziehung ableiten lässt, ist dessen Bestimmung erheblich schwieriger, wenn damit sonstige »berechtigte Interessen« des Unternehmens verfolgt werden: Inwieweit darf sich ein Arbeitgeber zum Beispiel hinter dem Rücken eines Bewerbers um einen Arbeitsplatz bei früheren Arbeitgebern über dessen persönliche Verhältnisse erkundigen? Ist es zulässig, Kundendaten, die anlässlich einer Bestellung erhoben wurden, mit anderen Angaben zu verknüpfen und auf diese Weise ein möglichst umfassendes Kundenprofil zu gewinnen? Muss das Unternehmen die Einwilligung des Betroffenen einholen, ehe es bei einer Auskunftei über dessen Bonität nachfragt?
Wegen des zunehmenden Umfangs der Datenerfassung durch Unternehmen muss der Datenschutz auch in diesem Bereich gestärkt werden. Allerdings tut sich die Politik hier besonders schwer, denn allzu leicht könnten Befürworter von mehr Datenschutz als »wirtschaftsfeindlich« diskreditiert werden. Dabei würde ein effektiverer Datenschutz der Wirtschaft eher nützen als schaden, denn letztlich ist es ja im Interesse der Unternehmen, das Vertrauen ihrer Kunden zu gewinnen und zu bewahren. Das vielfach zu beobachtende Streben nach immer umfassenderer Durchleuchtung von Kunden und Arbeitnehmern ist allerdings mit diesem Anliegen kaum zu vereinbaren.
Immer schwieriger wird die Abgrenzung zwischen staatlicher und privatwirtschaftlicher Datenverarbeitung. So beansprucht der Staat zunehmend den Zugriff auf Daten, die von Unternehmen für deren eigene Geschäftszwecke erhoben und gespeichert wurden, die aber insbesondere für Polizei, Strafverfolgungs- und Steuerbehörden ebenfalls von Interesse sind. Häufig diskutiertes Beispiel für diese Entwicklung ist die Nutzung von Telekommunikations- und Internetdaten. Mit der Verpflichtung zur Vorratsspeicherung dieser Daten (vgl. 3.3) wird die Wirtschaft ungewollt zum Hilfssheriff der Strafverfolgungsbehörden. Aber auch beim automatisierten Kontenabrufverfahren (vgl. 3.8) bedient sich der Staat privater Datenquellen.
Umgekehrt beauftragen Behörden private Unternehmen mit der Verarbeitung personenbezogener Daten, die bei der staatlichen Aufgabenerfüllung anfallen. So haben die Bundesagentur für Arbeit und kommunale Arbeitsagenturen private Callcenter damit beauftragt, bei Arbeitnehmern Details zu ihrer Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt abzufragen. In Ministerien gibt es Überlegungen darüber, ob man die Beantwortung umfangreicher und vielfach lästiger Bürgeranfragen und Beschwerden an private Dienstleister vergeben kann. Schließlich verarbeiten bereits seit vielen Jahren privatwirtschaftliche Rechenzentren personenbezogene Daten im Auftrag öffentlicher Stellen. Die dabei verwendeten neudeutschen Sprachschöpfungen reichen von »Outsourcing« bis zu »Public Private Partnership«, etwa bei der Erhebung von Autobahnmaut durch das private Unternehmen Toll Collect oder bei der Bereitstellung kommunaler Internetangebote durch private Agenturen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass selbst Polizeibehörden zunehmend auf »Kooperationsmodelle« mit Unternehmen setzen und auf »freiwilliger Basis« gegebenenfalls auch Auskünfte über personenbezogene Kundendaten erlangen. Vielfach ist dabei nicht einmal klar, wie sich die Verantwortung auf die beteiligten öffentlichen und privaten Stellen verteilt.
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