Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
mitwirkt. Sie verwaltet den Schlüssel, mit dem allein eine Auflösung der bereichsspezifischen Identitätsnummern vorgenommen werden kann.
Es würde sich lohnen, unter Berücksichtigung der in Österreich gesammelten Erfahrungen auch in Deutschland an die Einführung eines datenschutzfreundlichen Identitätsmanagements zu gehen. Eine solche Lösung wäre jedenfalls dem vermeintlich einfacheren, verfassungsrechtlich aber nicht vertretbaren Weg der Verknüpfung aller Verwaltungsdaten mittels eines einheitlichen allgemeinen Personenkennzeichens vorzuziehen.
3.10 Der registrierte Ausländer
Wer als Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland lebt, kann sicher sein, dass ihm die besondere Aufmerksamkeit der Behörden zuteil wird. Zunächst einmal werden von ihm diejenigen Daten erfasst, die auch bei Deutschen regelmäßig gespeichert werden (etwa im Melderegister und bei der Sozialversicherung). Daneben findet eine umfangreiche Registrierung bei den lokalen Ausländerbehörden und im Ausländerzentralregister statt. Wer Asyl oder ein Visum beantragt, dessen Daten werden zudem in europaweiten Datensammlungen gespeichert. Die über Ausländer erfassten Daten sind sehr umfangreich und stehen einer Vielzahl von Behörden und teilweise auch nicht öffentlichen Stellen zur Verfügung. Es gibt keine andere Personengruppe, die in einer vergleichbaren Intensität vom Staat erfasst wird wie unsere »ausländischen Mitbürger«. Zu Recht hat bereits der erste Bundesdatenschutzbeauftragte Hans Peter Bull 1984 die Frage aufgeworfen, warum Ausländer »durch besonders umfangreiche Datenerfassung und -auswertung diskriminiert werden«. 48 Die seitherigen Bundesregierungen haben diese Frage nicht nur unbeantwortet gelassen, sondern den Umfang der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung mit wechselnden Begründungen noch ausgeweitet. Selbst die europäische Integration mit der »Unionsbürgerschaft« hat weder den ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily noch seinen Amtsnachfolger Wolfgang Schäuble dazu veranlasst, zumindest die EU-Ausländer nicht mehr im Ausländerzentralregister zu erfassen.
Die lokalen Ausländerbehörden führen Akten zur Person des Ausländers, und sie speichern die ausländerrechtlich wesentlichen Daten zusätzlich in speziellen Ausländerdateien. Dabei werden insbesondere die Daten zu laufenden ausländerrechtlichen Verfahren gespeichert (zum Beispiel Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, Asylantrag). Erfasst werden auch Hinweise auf ausländerrechtliche Maßnahmen, etwa räumliche oder zeitliche Aufenthaltsbeschränkung, Ausweisung, Beschränkung der politischen Betätigung.
Andere öffentliche Stellen müssen die Ausländerbehörde unaufgefordert über Ausweisungsgründe und andere den Aufenthaltsstatus berührende Fakten unterrichten. Dies gilt für Meldebehörden, Staatsangehörigkeitsbehörden, Justizbehörden, die Bundesagentur für Arbeit und Gewerbebehörden. So werden Ausländer, die Sozialhilfe beziehen, vom Sozialamt an die Ausländerbehörde gemeldet, weil der Sozialhilfebezug möglicherweise einen Ausweisungsgrund darstellt.
Zusätzlich zu den dezentral bei den Ausländerbehörden gespeicherten Dateien führt das Bundesverwaltungsamt in Köln das Ausländerzentralregister (AZR). Darin werden vor allem Daten von solchen Ausländern gespeichert, die sich nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhalten. Daneben enthält das AZR Daten von Asylbewerbern und von Personen, bei denen die Ausweisung oder Abschiebung verfügt wurde. Die AZR-Daten umfassen umfangreiche Angaben zum Status des Betroffenen. Zudem werden bei neu ins AZR aufgenommenen Personen künftig auch digitale Lichtbilder gespeichert werden. Ob zusätzlich auch ihre Fingerabdrücke gespeichert werden sollen, ist noch strittig. Zumindest für den nichtdeutschen Teil der Bevölkerung würde damit erstmalig eine biometrische Zentraldatei geschaffen, die der Deutsche Bundestag in Bezug auf Pässe und Personalausweise bislang einhellig abgelehnt hat (vgl. 2.7).
Besonders bedenklich ist, dass auch Bürger von EU-Mitgliedsstaaten mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland im AZR gespeichert werden. Gegen eine generelle Speicherung dieser Gruppe spricht, dass dabei EU-Bürger ungleich behandelt werden, ohne dass hierfür ein plausibler Grund besteht, denn für Deutsche reicht offenbar – anders als für die hier lebenden nichtdeutschen EU-Bürger – die Erfassung im kommunalen Melderegister aus. Vermutlich wird der
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