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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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Europäische Gerichtshof demnächst über die Zulässigkeit der AZR-Erfassung von Unionsbürgern entscheiden müssen, da die Bundesregierung auf deren Speicherung beharrt.
    Das AZR ist eine Art zweites Melderegister, dessen Daten allen öffentlichen Stellen übermittelt werden dürfen. Die Übermittlung von Daten aus dem AZR ist immer dann zulässig, wenn die Empfängerbehörde die Daten für ihre Aufgaben anfordert. Der Übermittlungszweck muss lediglich in den Fällen angegeben werden, in denen nicht nur die Grunddaten überstellt werden. AZR-Daten dürfen auch an nicht öffentliche Stellen übermittelt werden, die ein entsprechendes rechtliches Interesse haben – etwa zur Vollstreckung einer rechtskräftigen Forderung.
    Die Übermittlung von Daten aus dem AZR ist in der Regel einzelfallbezogen. Allerdings können auch Gruppenauskünfte an staatliche Stellen erfolgen, insbesondere zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und zur Strafverfolgung. Auch an die Verfassungsschutzbehörden, den Militärischen Abschirmdienst und an den Bundesnachrichtendienst werden unter bestimmten Voraussetzungen AZR-Daten übermittelt. Immer mehr Behörden können auf die AZR-Daten online zugreifen. Mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz wurde auch den Nachrichtendiensten ein solcher Online-Zugriff eingeräumt.
    Zusätzlich zu dieser ohnehin schon sehr umfangreichen ausländerrechtlichen Erfassung werden bereits seit Jahren bei allen Asylbewerbern Fingerabdruckdaten erhoben, um Personen zu ermitteln, die bereits unter einer anderen Identität Asyl beantragt haben. Die Fingerabdruckdaten werden in dem europäischen Datenbanksystem EURODAC gespeichert und können von Behörden sämtlicher EU-Mitgliedsstaaten abgerufen werden.
    Wenn es um den Schutz der Privatsphäre geht, sind Deutsche und Ausländer gleichermaßen betroffen. Viele Beispiele belegen zudem, dass bestimmte Maßnahmen, die sich zunächst auf »Fremde« beschränkten, allmählich auf die gesamte Bevölkerung ausgeweitet wurden (etwa die Ausweis- und Meldepflicht). Vieles deutet darauf hin, dass die gerade begonnene Erfassung biometrischer Merkmale im Ausländerzentralregister den Probelauf für eine entsprechende biometrische Erfassung auch der deutschen Bevölkerung in Zentralregistern darstellen könnte.

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    Ungehobene Schätze: Daten als Wirtschaftsfaktor
     
    Bei der Datenschutzdiskussion stehen meist staatliche Stellen im Vordergrund. Dabei dürfen aber Datensammlungen von Unternehmen nicht aus dem Blickfeld geraten, deren Bedeutung ebenfalls ständig wächst. Heute verfügen Unternehmen jedenfalls bei Weitem über mehr personenbezogene Daten als staatliche Stellen. Dies gilt insbesondere für die diversen Kundendaten, die gezielt erhoben werden (etwa bei einer Bestellung) oder eher beiläufig anfallen (wie beim Telefonieren). Nicht nur wegen ihrer schlichten Masse, sondern auch hinsichtlich ihrer Sensibilität stehen die von Unternehmen gesammelten Daten den von staatlichen Stellen erhobenen kaum nach. So verfügen private Krankenversicherungsgesellschaften über weitaus mehr hochsensible Gesundheitsdaten als öffentlich-rechtliche Krankenkassen, denn jede ärztliche Abrechnung wird von ihnen in digitalen Versichertenakten gespeichert (bei den gesetzlichen Kassen gibt es noch den »Vorfilter« der kassenärztlichen Vereinigungen – auch wenn dessen Wirkung abnimmt; vgl. 3.7). Zudem unterliegen die Privatversicherungen – anders als die gesetzlichen Krankenkassen – nicht den strikten Datenschutz- und Zweckbindungsregelungen des Sozialrechts. Darüber hinaus verschaffen sie sich, häufig unter Verwendung formularmäßiger Einwilligungs- und Schweigepflichtentbindungserklärungen, Zugang zu ärztlichen Unterlagen.
    Banken kennen die wirtschaftliche Situation ihrer Kunden bis ins Detail. Sie wissen, wie sich unser Einkommen zusammensetzt, wie wir unser Geld ausgeben und wen wir durch Zuwendungen unterstützen. Besonders kritisch prüfen sie die persönlichen Verhältnisse des Kunden, wenn er einen Kredit beantragt. Die Kreditinstitute erheben nicht nur Einkommens- und Vermögensdaten bei den Betroffenen selbst, sondern erkundigen sich auch bei Auskunfteien über dort vorliegende personenbezogene Erkenntnisse aus anderen Vertragsverhältnissen und über abstraktere Kreditrisiken, die in »Score-Werten« zum Ausdruck kommen.
    Der qualitative Unterschied zwischen öffentlicher und privatwirtschaftlicher Datenverarbeitung liegt weniger in der

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