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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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den fedrigen Armen hin und her und sehen aus wie Frauen in Kimonos. Trippelschritte, gar keine Schritte, winkt, winkt, ihr Hände.
    Wann immer ich Zeit habe, steige ich zu Fuß zu den grünen Stellen rauf. Wie lustig das klingt. Ist ja nicht so, als wäre mein Terminkalender zu voll. Ich steige da rauf, um zu atmen. Die andere Luft. Dabei ist es da oben gefährlich, außerdem kann ich auf den ständigen Adrenalinrausch gern verzichten. Aber ich habe Elchspuren gesehen. Relativ frische. Falls es überhaupt noch Elche gibt. Auf keinen Fall, sagt Bangley. Ja, aber. Ich habe noch keinen Elch gesehen, dafür jede Menge Hirsche. Ich ziehe mit der Winchester los und erlege eine Hirschkuh, die ich im Rumpf eines Kajaks nach Hause ziehe. Ich habe das Deck abgesägt und das Kajak zum Schlitten umgebaut. Mein grüner Schlitten. Die Hirsche haben durchgehalten, zusammen mit den Kaninchen und den Ratten. Die Rispengräser haben durchgehalten. Das muss reichen.
    Bevor ich meinen Ausflug in die Berge mache, fliege ich die Kontrollstrecke ab, zwei Mal. Einmal am Tag und einmal in der Nacht, mit Nachtsichtbrille. Mit der Brille kann man ganz gut durch die Baumkronen durchsehen, solange das Blattwerk nicht zu dicht ist. Menschen werden als pulsierende, grüne Schatten abgebildet, sogar wenn sie schlafen. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Ich drehe nach Süden und dann nach Osten ab, fliege eine Schleife und komme aus nördlicher Richtung wieder herein. Fünfzig Kilometer, einfache Strecke, dafür braucht ein Wanderer mindestens einen Tag. Über die offene Ebene, über die Steppe mit Salbei und kniehohen Gräsern und Hasenpinselbüschen, vorbei an den verlassenen Farmen. Kreisrunde, braune Felder ziehen sich über die Prärie wie die Abdrücke eines Krückstocks. Hecken und Knicks, die Hälfte der Bäume entwurzelt oder abgestorben; nur an den Bachläufen und auf sickerfeuchtem Boden haben ein paar überlebt. Dann melde ich mich bei Bangley ab.
    Die ersten dreizehn Kilometer schaffe ich mit leerem Schlitten in zwei Stunden, dann habe ich die Deckung der Bäume erreicht. Ich bin immer noch beweglich. Der Rückweg mit Hirsch gestaltet sich schon schwieriger. Über das offene Grasland. Auf dem letzten Streckenabschnitt gibt Bangley mir Feuerschutz. Wir haben immer noch die alten Funkgeräte, samt Aufladestation. Japanisches Fabrikat, Spitzenqualität. Bangley besitzt ein Scharfschützengewehr, ein CheyTac Intervention Kaliber . 408 , das er auf den Turm mit raufnimmt, den wir gebaut haben. Inklusive Laserentfernungsmesser. Mein Glück. Bangley ist ein Waffennarr. Ein kranker Spinner. Er behauptet, er könne einen Mann aus zwei Kilometern Entfernung abknallen, und er hat es bewiesen, mehr als einmal. Letzten Sommer hat er eine junge Frau erschossen, die mich über die Ebene verfolgt hat. Eine Vogelscheuche von einem Mädchen. Ich hörte den Schuss, blieb stehen, ließ den Schlitten los, lief zurück. Sie war rückwärts über einen Felsen getaumelt und hatte ein Loch da, wo ihre Taille hätte sein sollen. Sie war in der Mitte durchgerissen. Sie keuchte, ihr Brustkorb hob und senkte sich, sie hatte den Kopf zur Seite gedreht und sah mich aus einem schwarzglänzenden Auge an, nicht verängstigt, sondern fragend, voll brennender Neugier, so als wäre von allen Vorgängen auf Erden dieser eine nicht zu fassen. So sah sie mich an. Warum, verdammt?
    Dasselbe habe ich Bangley später gefragt. Warum, verdammt?
    Sie hätte dich eingeholt.
    Na und? Ich hatte ein Gewehr, sie bloß ein kleines Messer. Um sich vor mir zu verteidigen. Vielleicht wollte sie nur etwas zu essen?
    Vielleicht. Vielleicht wollte sie dir mitten in der Nacht die Kehle durchschneiden.
    Ich starrte ihn an. So weit dachte er voraus, bis zu ihr und mir mitten in der Nacht. Du liebe Güte. Mein einziger Nachbar. Was soll ich sagen? Bangley hat mir mehr als einmal den Arsch gerettet. Es ist sein Job, meinen Arsch zu retten. Ich habe ein Flugzeug und bin das Auge, er hat die Waffen und ist der Muskel. Er weiß, dass ich weiß, was er weiß: Er kann nicht fliegen, ich kann kein Blut sehen. Wäre es anders, würde hier nur ein Mann leben. Oder keiner.
    Außerdem ist da noch Jasper, Sohn von Daisy. Er ist die beste Alarmanlage.
    Wenn ich also die Sonnenbarsche aus unserem Teich und die Kaninchen nicht mehr sehen kann, schieße ich uns einen Hirsch. Ehrlich gesagt geht es mir vor allem um den Ausflug in die Berge. Die Luft da oben ist wie in einer Kirche, kalt und weihevoll. Die

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