Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
halten, sie schon; in Wahrheit war es vielleicht ganz anders, in Wahrheit hielt sie mich.
Das St.-Vincent’s-Krankenhaus lag am anderen Ufer des Sees. Dort landeten die orangefarbenen Helikopter. Wir redeten noch davon, an die Westküste zu fliegen, aber dann war es zu spät, da war das Krankenhaus, wir mussten ins Krankenhaus. In eines der Gebäude, das sich mit Toten füllte.
*
Bangley taucht einfach so auf. Ich bin gerade beim Ölwechsel. Er könnte sich mit einem kurzen Klopfen an den stählernen Rumpf bemerkbar machen, aber er zieht es vor, mich zu Tode zu erschrecken. Er taucht neben mir auf wie ein Gespenst.
Was für einen Unfug treiben wir da wieder?
Herrgott, wer soll bitte Streife fliegen, wenn ich an einem Herzinfarkt sterbe?
Ach, da findet sich schon jemand. Zur Not geben wir eine Annonce auf.
Sein Grinsen ist breit, aber seine Augen lachen nie.
Außerdem könnte ich die Kiste selber fliegen, jede Wette.
Hin und wieder sagt er das, es klingt wie eine Warnung. Wozu? Wenn er diesen zugigen Ort für sich allein wollte, hätte er ihn sich längst genommen. Vor langer Zeit.
Jasper liegt knurrend auf seiner schmutzigen Decke. Jasper kann Bangley nicht leiden, nur im Notfall, wenn Besucher kommen. Dann hält er die Schnauze. Er ist ein Teamplayer. Einmal hat Jasper bei einer von Bangleys Stippvisiten nach ihm geschnappt. Bangley zog seine bolzenschneidergroße Waffe aus dem Halfter und zielte, und ich fing zu schreien an. Ich schrie, wenn du den Hund erschießt, sind wir alle tot.
Bangley blinzelte, dazu dieses Grinsen. Was soll das heißen, dann sind wir alle tot?
Das soll heißen, dass ich Streife fliege, es ist unsere einzige Möglichkeit, das Gelände zu sichern.
Die magischen Worte. Diese Worte waren das Einzige, was abgefeuert wurde, und sie trafen ins Schwarze. Ich konnte förmlich sehen, wie sie in Bangleys Ohr verschwanden und durch die Windungen in sein Hirn rutschten. Das Gelände zu sichern. Einzige Möglichkeit. Er blinzelte. Sein Kiefer malmte. Er stank. Er stank nach getrocknetem Blut, wie wenn man einen Hirsch schlachtet.
Nur deswegen bin ich noch am Leben. Was glauben Sie denn, wie ich allein hier draußen zurechtkäme?
Das war unser Deal. Wir brauchten gar nicht mehr zu verhandeln. Alles war gesagt. Ich flog. Er tötete. Jasper knurrte. Wir ließen einander in Frieden.
Wo waren wir stehengeblieben? Ich bin beim Ölwechsel, und Bangley taucht neben mir auf wie ein Geist.
Wozu besuchst du die Druiden?, fragt er.
Sie sind keine Druiden, sondern Mennoniten.
Er grunzt.
Ich lege den Ölfilterschlüssel zurück. In die Werkzeugkiste. Ich greife zur Isolierzange.
Bangley steht rum. Ich kann ihn riechen, bevor ich ihn sehe. Ich führe den Draht in das Loch im Flansch am unteren Ende des Filters ein und verdrehe ihn mit der Zange. Ein Sicherheitsdraht. Hält den Filter an seinem Platz, nur für den Fall. Zur Sicherheit. Vorschrift der Luftfahrtbehörde. Man will ja schließlich nicht, dass der Filter sich losrüttelt und abfällt und man oben in der Luft Öl verliert und der Motor explodiert. Ist alles schon vorgekommen. Man munkelt, jede einzelne Vorschrift der Luftfahrtbehörde ließe sich auf einen konkreten Unglücksfall beziehen. Am Ende ist dieses genormte Stück Draht ein Andenken an einen armen Piloten. Und an seine Familie.
Bangley stochert sich mit einem Holzsplitter zwischen den Zähnen rum, ohne mich aus den Augen zu lassen. Oben auf dem Werkzeugkasten liegt ein öliger Lappen, ein Fetzen von einem T-Shirt. Der Druck ist verblichen, aber ich kann immer noch eine Reihe von rosa Comicfrauen erkennen: große Brüste, kleine Brüste, alle möglichen Brüste, und darunter die Worte »Melonen«, »Pfirsiche«, »Pflaumen«, »Rosinen«. Über allem ein fettes »Cabo«. Ich lese alle Obstnamen, bevor ich nach dem Fetzen greife und den Filter noch einmal abwische. Ein Stich ins Herz. Einfach so. Ich falte den Lappen zusammen. Ein Comic. Dass wir so festverdrahtet sind. Dass zwei kleine Bögen oder eine kreisrunde Cartoontitte unsere Erinnerung wecken, eine erhöhte Körpertemperatur zur Folge haben, ein Ziehen im Unterleib, ein Kribbeln in den Lenden. Das ist doch merkwürdig. Ich muss schlucken, halte inne, atme durch.
Melissa war Typ Cantaloupe-Melonen.
Cabo liegt an der Spitze einer mehrere hundert Kilometer langen Halbinsel. Vermutlich gibt’s da viele Fische. Am Ende gibt es da womöglich einen Überlebenden wie mich, der in einer alten Maule seine täglichen
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