Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)
Teenager. Sie hätte sich ekeln müssen.
Aber Evie hat sich nicht geekelt. Stattdessen war es eher, als würde sie darüber nachdenken, wie es wohl wäre, so ein erwachsener Mann, der nur sie will. Vielleicht hat sie sich alles Mögliche eingeredet, hatte wie ein kleines Mädchen beschlossen, dass seine Liebe rein sein müsse, und dass er nichts weiter wollte, als sie aus der Ferne anzuhimmeln; sein Herz in ihren kleinen Händen.
Aber wer weiß schon, was Evie gedacht hat, Evie, die immer im Hintergrund war, immer unterbrach, immer gehört werden wollte. Sie wollte auch einmal im Mittelpunkt stehen. Und da stand sie nun.
Für ihn war sie der Mittelpunkt.
Und Evie war drauf reingefallen.
Sie wollte ihr schwesterliche Ratschläge erteilen. Ihr klarmachen, dass sie keine Ahnung hatte, worauf sie sich einließ, dass sie ihn ermutigte, und dass er ein schmieriger alter Lustmolch war.
Sie wollte ihre Schwester aufhalten, aber sie brachte es nicht über die Lippen. Wenn sie die Worte aussprach, Ich weiß, was du tust, ich weiß, was du fühlst, und es ist falsch, dann würde das alles Wirklichkeit werden, dann wäre es kein wirres Knäuel mehr in ihrer Brust, das sie für sich behalten konnte.
Schließlich musste sie auch an Dad denken. Er war ja auch noch da. Die Vorstellung, ihm zeigen zu müssen, welche Krankheit sein Haus infiziert hatte. Seine eigene Tochter. Die Sorte Mädchen, die ihre Vorhänge öffnete, ihre Jalousien, alles, was sie bedecken und schützen sollte, für diesen Mann. Dieses widerliche Monster.
Und dann ist es passiert, nur drei Tage später.
Sie hatte die Abkürzung über das Fußballfeld an der Middle School genommen und sah Evie auf einem der Steinsockel vor der Schule sitzen, sie spähte über die Schulwiese und schwang ihren Hockeyschläger. Baumelte mit den Beinen, ein Strumpf hochgezogen, der andere hinuntergerutscht.
Was macht sie da, fragte sie sich. Warum ist sie nicht zu Hause?
In diesem Moment sah sie das Auto, das auf der anderen Straßenseite parkte. Ein rotbrauner Skylark.
Sie ging schneller, rannte fast, sie wusste, wer das war. Mr. Shaw sitzt da in seinem Auto, und Evie weiß das, sie weiß es und zieht eine Show ab. Sitzt da und zieht diese Show ab.
Sieh her, sieh her, sieh mich an. Sie neckte ihn, lockte ihn, lud ihn ein.
Dusty hielt das nicht aus, ihr drehte sich der Magen um.
Sie rannte durch die Beete neben der Eingangstreppe, rannte auf ihre Schwester zu.
Als sie sie entdeckte, fiel Evie fast von ihrem Sockel.
Sie packte Evie am Bein, diesem stockdünnen Beinchen, das man fast durchbrechen konnte, und fragte sie, ob sie eigentlich wisse, was sie da tut. Ein Mann, der ihr Vater sein könnte.
Evie drehte sich schnell um, versuchte, das Bein wegzuziehen, und dabei fiel sie vom Sockel.
Es dauerte ewig, bis sie unten aufkam, und Dusty versuchte nicht, sie aufzufangen. Sie ließ sie einfach fallen, Evies Kopf schlug auf dem Stein auf, ihr Gesicht war weiß und voller Panik.
Das ist doch krank, schrie sie Evie an. Stimmte doch. Oh Gott, sie hatte ihr dabei zugesehen, hatte ihr zugesehen, wie sie sich ihm präsentierte.
Es ist krank, was du hier tust, sagte sie. Er ist pervers, und du bist auch pervers.
Evies Gesichtsausdruck war, als hätte es jemand mit einem Meißel aufgebrochen. Als ob sie jemand entzweigeschlagen hätte.
Dieser Blick, als wäre sie unschuldig und ich diejenige welche. Als wäre ich die Perverse, die alles kaputt macht. Wie kann sie es wagen?
Evie rappelte sich auf, war aber nicht schnell genug, Dusty versetzte ihr einen harten Schlag an die Schulter und drückte Evie an den Sockel.
Oh, sie drückte so fest zu, und Evie war hilflos, wand sich, wurde rot, sie sah ertappt aus – und fing einfach an zu reden.
Mit gepresster, zitternder Stimme sagte Evie alles, alles, was sich ihr ganzes Leben lang angestaut hatte, sie konnte nicht aufhören.
Es war, als hätte Evie seit dreizehn Jahren nur darauf gewartet, ihrer Schwester zu sagen, was sie von ihr hielt, was sie von ihrem glücklichen Zuhause hielt, das laut Evie ein Gefängnis war. Ein Gefängnis. Und wo denn da Platz für sie, Evie, sei, es wäre ja immer nur Platz für zwei. Dass Dusty ja dafür sorgte, dass es immer nur Platz für zwei gab.
Dusty nahm sämtlichen Raum ein, die ganze Luft, und ihre Bedürfnisse waren immer so stark, dass er …
Evies Stimme hämmerte auf sie ein, und jetzt machst ausgerechnet du mir Vorwürfe, verurteilst mich, aber sieh dich doch mal selbst an, wie du
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