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Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott
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dem Nichts auftauchen und mit dem Finger auf ihn zeigen.
    Dusty bedeckte ihr Gesicht mit den Armen und versteckte sich hinter sich selbst. Sie konnte nicht hinsehen. Sie bedeckte ihr Gesicht, versteckte sich … sie wusste nicht, wie lange. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
    Sie hörte, wie sich Evie aufrappelte, ihn rief, seinen Namen rief. Zu ihm rannte, ihr Atem immer noch dieses schreckliche Keuchen.
    Die Autotür wurde zugeschlagen. Der Motor sprang an. Das Auto fuhr davon.
    »Du musst das verstehen. Was sie gesagt hat«, sagt Dusty, ihre Stimme splittert, wird ganz hoch. »Es war so schlimm. Dinge, die man nie über einen anderen sagen sollte.«
    Ihr Daumen auf dem gerinnenden Blut auf ihrem Knie, er tanzt herum, berührt das Blut, das die Wunde verschließt.
    »Lizzie … sie hat diese Sachen gesagt, und es hat sich angefühlt, als ob sie sie in mich … eingraviert. Wenn ich mich jetzt ansehe«, sagt sie, hebt die Hand, bedeckt fast ihren Mund, »sehe ich nur noch diese Worte.«
    »Was für Worte?«, frage ich, aber tief drinnen weiß ich es.
    »Ich kann das nicht sagen«, sagt sie, wirft mir einen schnellen Blick zu, ihr entgleisen die Gesichtszüge. »Meinst du, ich kann das wiederholen?«
    »Über dich?«, stottere ich. »Etwas über dich?«
    »Sie hat gesagt, das ist ja wohl nichts anderes als bei euch beiden. Bei dir und Dad. Und ich habe ihr gesagt, dass es überhaupt nicht so ist, dass ich nicht so bin wie sie.«
    Und sie erzählt mir, was Evie geantwortet hat. Nein, da hast du recht. Du bist nicht wie ich, Dusty. Ganz im Gegenteil.
    Du bist diejenige, die da draußen steht, genau wie er. Das bist du unter dem Birnbaum, Nacht für Nacht, und willst Dinge, die du nie haben kannst, diese letzten Worte sind für Dusty wie ein Schlag ins Gesicht.
    Dusty, hatte sie gesagt, fast spöttisch, aber mit einer unglaublichen Traurigkeit in der Stimme, du kannst dich dein Leben lang nach ihm sehnen, aber du wirst Dad nicht bekommen.
    Ich sehe Dusty an, und in meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
    »Sie hat so getan, als wäre es krank«, sagt Dusty mit erstickter Stimme. »Sie hat getan, als wäre es etwas Schmutziges, ihn lieb zu haben. Was soll denn daran schmutzig sein, seinen Vater lieb zu haben.«
    »Aber warum hat sie nicht gepetzt?«, frage ich. »Warum hat sie niemandem erzählt, dass du …« Ich verstumme.
    »Das wird sie nie erzählen«, sagt Dusty, die Augen halb geschlossen.
    »Sie will dich beschützen«, sage ich, merke aber selbst, dass das nicht stimmt. Es kann nicht stimmen, weil sie nie diese Art Schwestern waren. Sie waren immer Rivalinnen, die sich umkreisen, den anderen genau beobachten.
    Es lag schon auch Liebe darin, das wusste ich, aber sie war wütend und furchterregend.
    »Um mich geht es nicht«, sagt sie und schüttelt den Kopf. »Mich schützt sie nicht.«
    Das erinnert mich an etwas. Ich denke an Evie, wie sie ihre Geheimnisse für sich behält, und mir wird klar, dass es nicht darum geht, sie vor mir zu verstecken, sich zu verschließen, sich vor mir zu verschließen.
    Sie hat diese Barrikaden errichtet, damit er es nie erfährt. Damit er nie erfährt, was eine seiner Töchter der anderen angetan hat. Was sie beide getan haben. Mir fällt ein, wie Evie im Auto auf der Rückfahrt vom Schwimmbad gesagt hat, Es tut mir leid, Dad. Es tut mir leid.
    »Ich habe ihm auch nichts über sie erzählt«, sagt Dusty, als ob sie meine Gedanken lesen könnte. »Ich habe mir so oft vorgestellt, zu ihm zu gehen. Zu sagen: verstehst du denn nicht, sie ist selber schuld. Sie ist daran selber schuld. Sie ist zu ihm gelaufen. Sie ist mit ihm weggelaufen. Selbst wenn ich nicht … sie hätte es trotzdem getan. Wäre mit ihm gegangen. Das weiß ich.
    Aber das könnte ich ihm nie sagen. Ich könnte seine Reaktion nicht ertragen. Ich will ihn nie so sehen.«
    Sie kann ihm ja das Herz brechen, sagen beide Schwestern, aber ich werde das nicht tun.
    »Ich werde es auch nicht erzählen«, bricht es aus mir heraus. »Niemals.«
    Sie sieht mich an, sie sieht so gequält aus, wütend und verzweifelt, und plötzlich so warm, wie ich sie gar nicht kenne.
    »Wie die Kinder«, sagt Dusty und lächelt beinahe. »Als wären wir wieder Kinder. Blutsschwestern, weißt du noch? Hinten bei uns im Garten, wir drei, Daumen an Daumen.«
    Die Erinnerung kommt wieder, Evie und ich, vielleicht fünf oder sechs, wie wir der goldenen Dusty die Arme entgegenstrecken, unsere Daumen in

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