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Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott
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dich für ihn rausputzt, vor ihm herumwirbelst und tanzt und flirtest und zwinkerst, und wie du dich an ihn schmiegst, ich sehe das doch, und Mom sieht es doch auch. Ich weiß, wie es dir geht. Du glaubst wohl, du kannst es verheimlichen, aber das kannst du nicht. Wer ist denn hier krank, wer ist denn …
    Sie wusste selbst nicht mehr, wie es dazu gekommen war. Warum sie voreinander standen und Evie das alles sagte, und sich dann auf einmal die Hand vor den Mund schlug, als ob sie nicht glauben könne, was sie getan hatte. Als hätten ihre Worte ihr die Lippen verbrannt.
    Sie weiß noch, dass sie Evie nach hinten geschubst hat, erinnert sich an Evies Gesicht, und das rasende Hämmern ihres eigenen Herzens. Sie weiß noch, wie Evie nach hinten fiel, über ihren Hockeyschläger stolperte, auf den Boden fiel.
    Sie weiß nicht, wie auch sie dort landete, ihre Knie bohrten sich ins Gras, ihre Hände hielten Evies Beine, sehr fest.
    Sie weiß nicht mehr, wie es passiert ist, aber auf einmal hatte sie so ein Gefühl in der Brust, und plötzlich hatte sie den Hockeyschläger in den Händen, und der Schläger lag quer über Evies Hals, und Evies Augen traten hervor, sie warf den Kopf wild hin und her, und sie drückte fester zu, damit das aufhörte.
    Es war ein Streit unter Kindern, oder? Wegen einer Beschimpfung auf dem Spielplatz. Das nimmst du zurück! Das nimmst du zurück! Sie würde dafür sorgen, dass Evie es zurücknahm.
    Sie drückte mit dem Schläger fester zu, umklammerte das drumherum gewickelte Isolierband, ihre Arme bebten, ihr Körper bebte, und Evies Gesicht wurde immer roter, und auf einmal wurde ihr klar, dass sie zu allem fähig war.
    Sie konnte nur noch denken, sieh mal an, was ich kann. Ich kann drücken und drücken und drücken, und ihr diese Worte in den Hals zurückdrücken – mein Dad, mein Dad –, und es wird sein, als hätte sie es nie gesagt.
    Evies Gesicht nahm eine Farbe an, die sie noch nie gesehen hatte, und das Holz splitterte unter ihren Daumen.
    Ich kann alles tun, ich kann alles tun, und sie merkte nicht mal, wie Evie ihr die Arme zerkratzte, den Oberkörper, lange Kratzer, die noch tagelang zu sehen sein würden.
    Sie merkte gar nichts mehr, außer, dass etwas zu Ende ging. Sie konnte diesen Moment versiegeln, und es würde sein, als wäre er nie gewesen, als wären diese Worte nie gesagt worden. Niemand würde es je erfahren. Sie konnte das alles beenden.
    Dann zitterte etwas in sie hinein, und sie spürte Evie in sich, fühlte, wie klein und schwach sie war, und dieser Blick in Evies Augen, als wäre alles vorbei, und nichts konnte es mehr aufhalten, etwas wurde aufgegeben, und etwas wurde weitergegeben.
    Sie merkte, dass ihre Hände losließen, zurückwichen, und sie spürte die Angst, und in diesem Moment geschah es.
    Starke Hände auf ihr, Männerarme, sie fassten sie um den Oberkörper, packten sie im Genick, so wie man eine Katze hochhebt.
    Er hob sie von ihrer Schwester herunter, diesem violett unterlaufenen Gesicht.
    So sehe ich es vor mir. So, wie Dusty es mir erzählt.
    Mr. Shaws Männerarme. Ich spüre sie geradezu.
    Auf einmal ergibt alles einen Sinn – wie Evie gesagt hat, er hat mich gerettet, also habe ich ihm dieses Geschenk gemacht. Mr. Shaw hat mich gerettet.
    »Er hat es verhindert«, sage ich, ich begreife jetzt alles. »Mr. Shaw.«
    »Nein, nein, nein. Ich hatte schon aufgehört«, sagt sie, ihre Worte zerbrechen in scharfkantige Scherben. »Ich hatte schon aufgehört.«
    »Und dann hat er sie mitgenommen. Hat sie uns gestohlen«, sage ich und stelle mir vor, wie Mr. Shaw Evie auf den Armen davonträgt. Wirklich eine Rettung. Zuerst, anfangs.
    Ach, Mr. Shaw, Sie hätten der Ritter sein können, wenn Sie es dabei belassen hätten. Sie hätten der Ritter sein können, wenn Sie in der Lage gewesen wären, Ihr krankes Herz …
    »Nein, nein«, sagt Dusty, ihre Stimme klingt sanft. »Er hat mich weggezogen. Sie lag auf dem Boden, und das Geräusch, dieses … Rasseln aus ihrer Kehle, ich konnte gar nicht hinsehen. Wir haben beide ganz schön gekeucht, aber ihr Atem war, wie wenn man sich eine Muschel ans Ohr hält. Wie wenn man das Ohr …«
    »Er hat sie mitgenommen«, unterbreche ich.
    »Nein«, sagt sie. Und sie erzählt mir, wie es war. Evie kam wieder zu Atem, sah erstaunt aus, verwirrt. Sie hatte sengend rote Male am Hals.
    Er war zurückgewichen, als wüsste er nicht, was er tun sollte. Als hätte er Angst, den beiden zu nahe zu kommen. Als könnte jemand aus

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