Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)
immer wieder mit dem Speer auf das Geschöpf ein, bis der wütende Kubar es von seinen Qualen erlöste.
Sodasi hatte ihre Schwester verlassen, um sich neben Steingesicht zu stellen. Als hinter ihm eine Bestie auftauchte und die Klauen hob, war sie bereit, ihre Schleuder zu benutzen. Sie gab keinen Triumphschrei von sich, als sie den Angriff mit dem ersten Stein stoppte und das Wesen mit dem zweiten tötete. Stolperzunge war überzeugt, sie wollte Steingesicht nicht darauf aufmerksam machen, dass sie ihm geholfen hatte. Sie würde ihm niemals sagen, wie langsam er geworden war.
»Genug!«, rief Kubar. »Bringt sie hinein – bringt alle hinein!«
»Ja«, stimmte Steingesicht zu. Ihm lief Schweiß über das Gesicht, obwohl er nur ein paar Hundert Herzschläge lang gekämpft hatte. »Geht … geht rein, Jungs. Und verriegelt heute Nacht die Türen.«
Stolperzunge folgte ihnen nach drinnen. Er passierte die Wand, an der eine winzige Maschine für ihn spionierte und alle Bilder an eine Sphäre in der Nähe sendete. Er hatte ein ungutes Gefühl. Auf den Straßen war es wieder still geworden.
»He«, sagte Yama, »hier ist noch einer am Leben!« Tatsächlich lag ein pelziges Wesen mit zwei Beinen und sechs kurzen Armen, die an der Brust und am Rücken ansetzten, erschlafft, aber atmend in einer Ecke. Der Junge grinste und marschierte mit gezücktem Messer hinüber. Doch auch diesmal hielt Kubar ihn zurück.
»Dieser gehört mir, Junge«, zischte er.
»Das werden wir ja sehen. Niemand hat dich zum Häuptling gemacht. Schau dir deine grauen Haare an – du bist selber schon fast für den Kochtopf bereit.«
»Ich habe einen Sprecher«, sagte Kubar. »Ich werde dieses Wesen befragen, und wenn es die Fragen beantwortet, lasse ich es gehen. Wir haben mehr als genug Fleisch.«
»Er soll seine Fragen stellen«, sagte Sodasi. »Nicht wahr, Steingesicht? Wir lassen den Priester mit der Bestie reden, oder?«
Steingesicht zuckte nur mit den Schultern. Er schwitzte immer noch, obwohl der Kampf längst vorbei war.
»Also gut«, sagte Sodasi mit ernster Miene.
Der Priester näherte sich dem behaarten Geschöpf. »Hast du es gehört?«, fragte er. »Hast du verstanden?«
Die sechs Arme bewegten sich, und ein seltsamer Duft breitete sich aus. »Ja«, sagte der Sprecher. »Ich wünsche zu gehen. Ich wünsche zu gehen oder nicht zu leben.«
Alle zuckten zusammen, als von draußen ein lautes Krachen zu hören war. Dann das Gleiche noch einmal, etwas näher.
Ein Kind kam völlig aufgeregt vom Dach heruntergestürmt. »Ein Haus«, rief das Mädchen. »Eben ist ein Haus auf die Straße gefallen!«
Plötzlich stieß der Sechsarm Kubar zur Seite und rannte zur Tür. Während er herauszufinden versuchte, wie sie sich öffnen ließ, drang ihm Yamas Speer in den Rücken. »Meine Beute! Ich habe eine weitere Beute erlegt!«
Dann lief ein Riss durch die Wand genau vor ihm. Staub rieselte von der Decke.
»Ich kann es in den Füßen spüren«, sagte Kubar. »Etwas ist im Boden unter uns …«
Stolperzunge sah, wie Sodasi zu Steingesicht ging und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Der große Mann nickte, während immer mehr Staub von der Decke fiel. »Die Wände stürzen ein!«, rief er. »Wir müssen zur anderen Seite des Hauptquartiers, bevor …«
Unvermittelt fand sich Stolperzunge im Dach wieder, als er von den Geschehnissen auf der Oberfläche der Welt fortgerissen wurde.
»Ich muss es sehen!«, rief er. »Ich muss es wissen!«
Doch der Boden unter ihm ächzte und zitterte, als wären die Wühler auch hier unterwegs. Obwohl die Menge schrie und betete, verstand er kein Wort. Das Beben hielt an, einen langen Herzschlag nach dem anderen. Flammenhaar wachte weinend auf, während ihre Mutter sie in die Arme schloss und vor den Rempeleien der Leute schützte.
Hundert Schritte entfernt schoss ein Wasserstrahl in die Höhe. Es war Abwasser, dessen übler Gestank sich überall verbreitete. Diesmal dauerte das gesamte Beben nicht länger als ein Dutzend Herzschläge. Anschließend musste die kleine Familie um ihren Platz kämpfen, als die vom stinkendem Abwasser durchnässten Leute flüchteten und nach einer trockenen, sauberen Stelle suchten.
Stolperzunge wollte wieder sehen, was mit seinem Stamm geschah. Aber das Dach zeigte ihm nichts, überhaupt nichts. Als wäre es nicht mehr dazu in der Lage, als gäbe es nichts mehr zu sehen.
Indrani legte sich wieder schlafen und ließ ihn mit seinen Gedanken allein. Dann war er von Grunzen und
Weitere Kostenlose Bücher