Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)
Wände rund um den Platz färbten sich rot.
»Achtung, Bürger!«, dröhnte eine Stimme, die laut genug war, um die Leute selbst aus ihren tiefsten Träumen zu reißen und das unruhigste Kind verstummen zu lassen. »Es folgt eine wichtige Ankündigung der Kommission!«
Dann erschien ein Mann auf den Wänden. Sein gutaussehendes Gesicht hatte die Ausmaße eines Hauses.
»Dharam!«, rief der Jäger. Das war der Mann, der ihn besucht hatte, als man ihn im weißen Raum gefangen gehalten hatte, kurz nach seiner Ankunft im Dach.
»Du kennst ihn?«, fragte Indrani. Mehr konnte sie jedoch nicht sagen, weil der Kommissionsvorsitzende nun mit seiner Ansprache begann.
»Bürger! Unser Sieg über die Krise ist ins Endstadium getreten.« Bilder zeigten makellos glänzende, leere Korridore und Parks voller gesunder Bäume. »Weitere Gebiete konnten vom Virus gesäubert werden.« Einige Leute in der Menge jubelten bei diesem Anblick. »Doch diese Sektoren werden erst in sechs Wochen wieder bewohnbar sein …«
Alle stöhnten, weil sie wussten, was jetzt kam. Sie würden in noch engeren Verhältnissen leben müssen als zuvor. Gerüchteweise hieß es, dass die Menschen in einigen Sektoren gezwungen wurden, im Stehen zu schlafen. Ein furchtsames Zittern lief durch die Menge. Das wurde noch schlimmer, als der Vorsitzende mitteilte, dass es im kürzlich »gesäuberten« Bereich Nahrungsreinigungszentren gegeben hatte. Stolperzunge konnte spüren, wie sich um ihn herum der Zorn aufbaute. Eine Explosion stand kurz bevor – ein großer schrecklicher Aufstand, bei dem Tausende zu Tode getrampelt wurden. Und sein kleiner Stamm befand sich mitten darin …
»Aber es wird keine weiteren Verknappungen geben«, rief Dharam. »Keine Einschränkungen des Wohnraums oder der Rationen.« Er wartete einige Herzschläge ab, damit die Wut zu Verwirrung abflauen konnte. »Warum sollten aufrechte Bürger wie ihr leiden müssen, wenn diejenigen, die uns sabotiert haben – die das Virus freigesetzt haben, das uns jetzt so sehr zusetzt – weiterhin die Früchte unserer Zivilisation genießen können?«
Menschen waren für das Virus verantwortlich? Stolperzunge sah Indrani an. Sie reagierte schockiert – genauso wie alle anderen. Wie konnten Menschen so etwas tun?
Die Bilder der leeren Parks verschwanden von den Wänden und wurden durch eine wütende Menge von Religiösen ersetzt. Ihre Kleidung unterschied sich auffällig von der, die die Leute um ihn herum trugen. »Eine gefährliche und rücksichtslose Minderheitensekte«, erklärte Dharam. »Sie hassen jede Technik und wollten unsere Zivilisation zerstören.« Das Bild konzentrierte auf ein einziges hasserfülltes Gesicht. Eine junge Frau, hässlich und mager, die irgendeine Parole brüllte.
Selbst die Religiösen in Stolperzunges Nähe schrien der jungen Frau ihren Protest entgegen, bis der Kommissionsvorsitzende sie alle übertönte. »Ich habe entschieden«, fuhr er fort, »ihnen die primitive Lebensweise zu ermöglichen, nach der sie sich sehnen, und uns weitere Entbehrungen zu ersparen. Wir werden sehen, wie sich diese Fanatiker auf der Oberfläche machen!«
Die Menschen jubelten – Religiöse und Weltliche. Stolperzunge hatte gedacht, irgendwelche Aliens hätten die Krise ausgelöst. Kein Wunder, dass die Menge tobte. Dann spürte er das Jucken im Hinterkopf, das Zeichen für einen »Anruf« von Indrani.
Das kann nicht stimmen , sendete sie ihm. Warum sollte jemand ein solches Virus freisetzen? Ihnen müsste klar gewesen sein, dass sie damit auch sich selbst töten würden. Es sei denn, dass sie ursprünglich etwas ganz anderes bewirken wollten und alle weiteren Auswirkungen nur eine unvorhergesehene Panne waren. Aber so etwas klingt nicht nach einer Taktik, die die Religiösen anwenden würden. Viele von ihnen verehren das Dach.
Er hat mich angelogen , antwortete Stolperzunge. Als ich hier aufwachte, erzählte er mir, du wärst verrückt geworden. Aber er hat mich nur dazu benutzt, dich aufzuspüren.
Er hat dich persönlich befragt, Stolperzunge? Natürlich hat er das. Damit würde er keinen seiner Ergebenen beauftragen. Schließlich könntest du etwas Nützliches wissen. Dharam kann sehr überzeugend sein. Früher einmal habe ich jedes Wort geglaubt, das aus seinem Mund kam. Dann hat er mich vorgeschoben, um sein Gift zu verbreiten. »Das Gesicht der Kommission« hat man mich genannt. Ihr Bild schüttelte den Kopf. Mit der »Hexe« waren die Religiösen der Wahrheit viel näher,
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