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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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Stolperzunge hatte es im Gegensatz zum bedauernswerten Reisenden gelernt, dort Zuflucht zu finden. Wesen, die jagten, lebten meistens in Häusern. Wenn eine neue Gruppe auf der Oberfläche der Welt eintraf, wachte sie stets in einem Gebäude auf und niemals im Wald oder auf erhöhtem Gelände. Stolperzunge wollte auf die Hügel gelangen und sich nur bei Nacht fortbewegen. Dann müsste der erste Abschnitt seiner Reise am Fluss entlang einigermaßen sicher sein. Ihm blieb keine andere Wahl. Jedes intelligente Wesen, dem er begegnete, würde ihn verspeisen wollen. Außerdem war er völlig allein. Das wurde ihm erst jetzt richtig bewusst. Er wünschte sich, er hätte Steingesicht doch mitnehmen können. Oder vielleicht Kubar oder jemanden von den anderen, die das Dach kannten.
    Es erstreckte sich über seinem Kopf und schien kein Ende zu haben. Es führte einmal um die ganze Welt herum, falls er dem Priester glauben konnte. Es umschlang alles, was Stolperzunge kannte, als wäre es lediglich ein Bissen im Mund eines Jägers. Wie konnte er nur darauf hoffen, sie dort oben jemals wiederzufinden? Kubar hatte recht. Sie alle hatten recht. Es war Wahnsinn.
    Am siebenten Abend wurden die Hügel, in denen er unterwegs war, kleiner. Es folgte eine öde Landschaft aus Felsen und Geröll, und die leuchtenden Farben des Mooses verblassten zu stumpfem Grau und Blau. Stolperzunge sah Pflanzen, die ihm völlig unbekannt waren: einzelne, sich verjüngende Stiele, die sich verzweifelt dem Dach entgegenreckten, bis ihr eigenes Gewicht sie wieder zu Boden zog. Hier würde der Jäger nirgendwo Deckung finden. Zum Glück hatte er, seit er die Häuser hinter sich gelassen hatte, auch keine Anzeichen für intelligentes Leben mehr bemerkt. Noch besser war, dass sich das Land am Horizont weiter zu erheben schien. Er erkannte eine Kette aus hohen und spitzen Hügeln. Nebel verhüllte die höchsten Gipfel.
    »Da!«, sagte er. »Da ist es, das muss es sein. Da!« Er lachte vor Erleichterung.
    Dann sah er, wie sich links von ihm ein Felsbrocken bewegte . Er wellte sich und knurrte. Schließlich erhob sich der Fels vom Boden. Schuppige Beine mit langen Krallen an den Enden tauchten plötzlich wie aus dem Nichts auf. Augen öffneten sich an Stellen, die er für Klumpen aus verholztem Moos gehalten hatte. Das Geschöpf brüllte und stürmte auf ihn zu. Stolperzunge konnte nur noch das Maul sehen. Es war beinahe groß genug, um ihn vollständig zu verschlingen, und es stank nach verwesendem Fleisch.
    Er taumelte zurück, schrie vor Entsetzen und rutschte auf den kleinen Steinen aus, die überall herumlagen.
    Der erste Angriff des Monsters ging daneben. Jetzt konnte er es besser erkennen – den länglichen Körper, die Haut, die etwas zu gelblich war, um Fels sein zu können, die haarigen Büschel mit den Augen.
    Die Krallen näherten sich zu schnell, als dass er ihnen mit seinen rutschenden Füßen hätte ausweichen können, aber er duckte sich zur Seite und benutzte seine Vorräte, um seine Beine zu schützen. Das Wesen bellte enttäuscht, und der Ruf wurde von mehreren anderen in der Nähe beantwortet.
    Stolperzunge parierte den nächsten Vorstoß. Scharfe Krallen gruben sich tief in das Netz, in dem sich seine Nahrung befand, und zerrissen die Stücke aus Räucherfleisch. Der Speer des Menschen fuhr herum und drang tief in den Rücken seines Feindes. Das Wesen wich torkelnd vor ihm zurück und schrie. Aber Stolperzunge wagte es nicht, in der Nähe zu bleiben, um es zu erledigen oder auch nur seine Vorräte von den Krallen zu lösen. Er hörte scharrende Füße, die sich ihm aus allen Richtungen näherten – alle bis auf eine. Vielleicht war es eine Falle, aber das war ihm jetzt egal. Er schien von Dutzenden dieser Wesen umgeben zu sein, die jetzt alle gleichzeitig brüllten, die großen klaffenden Mäuler aufgerissen. Eine Kralle erwischte ihn am Ellbogen, und er spürte einen Moment lang heftigen Schmerz. Er taumelte und schlitterte auf den Knien einen Abhang hinunter, bevor er sich aufrichten und losrennen konnte.
    Das Gebell der Monster verfolgte ihn noch lange Zeit, nachdem er ihnen entkommen war. Ihm war klar, dass er keineswegs in Sicherheit war. Er hatte seine Vorräte zurückgelassen – und was noch viel schlimmer war, eine Fährte aus Blut, die so klar und deutlich wie der helle Tag war.

3
    Der rennende Wilde
    Trotz der zunehmenden Anspannung konnte Hiresh den Blick nicht von Purami abwenden. Ihr Gesicht hatte ihn nachts nicht

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