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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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wird? Eine solche Erniedrigung würde ihm ganz und gar nicht gefallen. Bei den Göttern, du solltest überhaupt nicht mehr an der Akademie bleiben!«
    Hiresh zuckte mit den Schultern und ging in die Knie, um die Betäubungspfeile aus dem Rücken seines Meisters zu ziehen.
    »Du würdest mich nur vermissen, wenn ich nicht mehr hier wäre«, sagte er. Die Pfeile waren klein und scharf, und für einen Moment stellte er sich vor, dass er ständig welche bei sich trug, um seinen Meister in Schach zu halten. Würde irgendwer darauf bestehen, dass er sie zurückgab?
    »Ich würde dich wirklich vermissen«, sagte Tarini und verpasste ihm einen leichten Tritt. »Aber es wäre mir lieber, wenn ich dich wiedersehen könnte und all deine Gliedmaßen noch an der richtigen Stelle sitzen.«
    Er blickte in die Augen seiner einzigen Freundin. »Du weißt genau, dass ich nicht gehen kann.« Hastig machte er sich wieder an seine Arbeit.
    »Du bist nicht der Einzige, der gelitten hat, Hiresh! Andernfalls wären wir nicht hier. Wir hätten nicht einmal die Loyalitätstests bestanden. Dieser Rebellenabschaum, sie …« Ihre Stimme nahm einen schmerzhaften Unterton an. Als tausend völlig unterschiedliche religiöse Gruppen sich endlich zusammengeschlossen hatten, um gegen ihre weltlichen Herrscher zu rebellieren, hatten Tarinis Eltern zu den Ersten gehört, die ermordet worden waren.
    Die Rebellen waren gut organisiert gewesen. Er wusste, dass sie immer noch Alpträume hatte, in denen sie aufs Neue erlebte, wie Kriegersekten mit leuchtenden Knüppeln, Messern und selbstgemachten Äxten die Schützenlinien der Wärter angegriffen hatten. Die Religiösen hatten sich gegen eine generationenlange Diskriminierung gewehrt, und Hiresh wusste, dass ihre Vorwürfe berechtigt waren. Sie hatten kleinere Wohnungen bekommen, ihre Kinder waren zwangsweise weltlich erzogen worden und so weiter … Aber die Verknappungen durch die Krise und die angeblich ungerechte Rationierung, die auf die Zerstörung des Obergeschosses gefolgt war, hatten sie schließlich völlig durchdrehen lassen. Ihr Rachefeldzug hatte ganze Distrikte zerstört und Millionen das Leben gekostet, bevor die Elite endlich die Rebellen besiegen konnte.
    Viele Leute an der Akademie konnten ähnliche Geschichten wie Tarini erzählen, und Hiresh hatte sie alle im Glauben gelassen, dass ihm das Gleiche zugestoßen war. Aber hier stellte niemand allzu viele Fragen. Jeder wusste, dass die Religiösen nur auf eine neue Gelegenheit zur Rebellion warteten. Sie konnten jederzeit einen weiteren Versuch starten, die Herrschaft über das Dach zu übernehmen.
    »Mach dir keine Sorgen«, flüsterte Hiresh. »Das nächste Mal werden wir vorbereitet sein.«
    »Aber dann müssten wir gar nicht hier sein. Wir könnten stattdessen zu den regulären Wärtern gehen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich werde in die Elite aufsteigen. Es sind immer die Diener, die auf die Höherstufungsliste kommen, nicht wahr? Also ist dies der erste Schritt für mich. Ich muss diesen Idioten nur ein paar Wochen lang oder so unter Kontrolle behalten, bis er sein Gleichgewicht gefunden hat. Dann bin ich drin. Dann gehöre ich zur Elite.«
    Er war überrascht, als sie ihm unvermittelt in die Seite trat und ihn zu Boden warf. Als er nach Luft schnappte, spürte er ihre Speicheltröpfchen im Gesicht. Im illusionären Hintergrund kämpften Bäume und Ranken um Lebensraum. »Du würdest keine Woche durchhalten, du selbstsüchtiger Mistkerl, keine einzige Woche! Und wozu das alles? Nur wegen dieser arroganten Zicke Purami?«
    Das war es nicht, aber er hatte nicht genug Luft zum Sprechen. Wieder spuckte sie ihn an, und dann sah er vom Boden aus nur noch, wie sich ihre nackten Füße durch den Vortragssaal entfernten.
    Er brauchte gute zehn Minuten, bis er wieder normal atmen konnte. Er vergeudete keine Zeit mehr. Wenigstens nicht allzu viel. Zuerst schloss er die Augen und bemühte sich, die nötige Konzentration aufzubauen, um sich in die virtuelle Welt des Dachraums einzuloggen. Er schickte seine Gedanken zu Tarini, aber sie hatte den Kontakt zu ihm blockiert, sodass er bestenfalls eine Nachricht hinterlassen konnte, die sie später vielleicht löschte, ohne sie abzuspielen. Als Nächstes legte er einen der Pfeile, die er seinem Meister aus dem Rücken gezogen hatte, auf den Boden. Es hatte gewisse Vorteile, innerhalb des planetengroßen Computers zu leben. Eigentlich war er sogar größer als ein Planet – das Dach umschloss eine

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