Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)
einschlafen lassen, noch bevor sie die Injektion erhalten hatte und in die Elite befördert worden war. Damals konnte er noch mit ihr sprechen, ohne sich verneigen zu müssen. In den Woche, die seitdem vergangen waren, hatte die speziellen Nanomaschinen der Elite in ihrem Körper gearbeitet, ihn verfestigt und gestärkt, bis ihre schlanken Hände Eisenstangen verbiegen konnten.
Als sie Chakrapani gegenüberstand, zitterten und verkrampften sich ihre langen Finger. Auch Chakrapani zitterte. Er zog die Oberlippe zu einem tierischen Knurren hoch, das seine perfekten Gesichtszüge verzerrte. Beide waren angespannt, beide waren sprungbereit.
Für Hiresh und die anderen Zuschauer sah es gar nicht so aus, als würden sich die Widersacher im Vortragssaal der Auszubildenden gegenüberstehen. Die Wände, die sich über ihren Köpfen wölbten, projizierten Bilder vom irdischen Amazonas-Regenwald, während der Boden eine Farbe und Struktur angenommen hatte, die sich unter ihren Fußsohlen wie natürlicher Erdboden anfühlte. Fast jede Oberfläche des Daches war dazu imstande, und die Illusion wäre perfekt gewesen, dachte Hiresh, wenn die Luft im Raum nicht intensiv nach Wut gestunken hätte.
Gerüchten zufolge hatte sich Chakrapani nicht so gut an die Nanomaschinen angepasst wie seine Gegnerin. Er war schon ein paarmal ausgerastet und hatte den kostbaren Mahagoni-Tisch zertrümmert, der den Abtransport von der alten Erde überstanden hatte. Wer konnte sagen, wie lange es dauerte, bis Dr. Narindi ihn ins Gleichgewicht gebracht hatte, und welche Schäden er bis dahin noch anrichten würde?
»Falls du es nicht wusstest«, stieß Chakrapani zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »dein Wilder …«
»Stolperzunge«, sagte Purami. »Er ist ein Mensch, was mehr ist, als man über manche andere sagen …«
»Dein Wilder hat bereits einen von uns ermordet. Er hat Varahas Leiche an irgendwelche Aliens verkauft, damit sie aus ihm ihr verdammtes Abendessen zubereiten können!«
»Das war Selbstverteidigung«, gab Purami spöttisch zurück. Sie war großartig, wahrlich großartig. »Und dein Bruder war ohnehin nur zweite Garnitur.«
Hiresh, der all das aus der relativen Sicherheit der Gruppe Auszubildender beobachtete, spürte, wie sich jemand durch das Publikum drängte, um neben ihn zu treten. Er musste gar nicht hinsehen, weil es nur Tarini sein konnte. »Du starrst schon wieder Purami an«, flüsterte sie.
Er wollte sich ihr zuwenden, um es abzustreiten, doch in diesem Moment stürzte sich Chakrapani quer durch den Raum auf seine Peinigerin. Die zwei untrainierten Elitemitglieder fügten sich unbeholfene Schläge zu, schneller als das Auge folgen konnte, während ihre Körperdiener sich bemühten, ihnen aus dem Weg zu gehen. Weitere Antiquitäten wurden mit einer Geschwindigkeit geschleudert, die sie in Stücke riss, und sämtliche Auszubildenden gingen in Deckung oder drängten sich zur Tür.
Purami hätte das Ganze mit einem kräftigen Tritt beenden sollen. Hiresh hörte das Knacken, als sie Chakrapani auf diese Weise den Unterkiefer brach. Aber das hielt ihn nicht auf. Er war wie ein Stier, mindestens genauso wild wie jedes Wesen von der Oberfläche der Welt unter ihnen.
Hiresh schickte hastig eine Nachricht an die Sicherheit. Eine Einheit speziell ausgebildeter Beruhiger war bereits unterwegs. Aber die Leute würden zu spät eintreffen. Vor Schmerz brüllend und mit Schaum in den Mundwinkeln bekam Chakrapani das linke Bein seiner Gegnerin zu fassen und brach es. Als Nächstes wäre ihr Genick dran, was ihr nun klar wurde. Sie erkannte zum ersten Mal, in welche Schwierigkeiten sie sich gebracht hatte. Ihr Schrei ertönte, sowohl aus ihrem Mund als auch über einen Kanal, den jeder Auszubildende hörte, ohrenbetäubend laut.
»Purami!«, rief Hiresh und rannte los.
Doch Chakrapanis Körperdiener war wie durch ein Wunder schneller und baute sich zwischen seinem Meister und dem Mädchen am Boden auf. »Nein«, sagte der Junge – Hiresh hatte sich nie seinen Namen merken können. »Genug, Herr, genug!«
Chakrapani schlug ihn aus dem Weg, und der Junge flog zur Seite.
Dann fand Hiresh sich hinter dem Monster wieder, während Chakrapani gerade einen Fuß hob, um damit auf Puramis Hals zu treten.
Hiresh war nie besonders stark gewesen, vor allem nicht in dieser schrecklichen Zeit der Verknappung, in der alle hungerten.
Vor der Krise hatten die Eltern noch sämtliche Möglichkeiten des Daches zur Verfügung gehabt und
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