Das Ende
nicht besser auf mich werfen. Wenn er über der Plate ist, kann ich ihn tief nehmen, bloß verlieren wir zu viele Bälle. Obwohl, eigentlich bin ich Werfer, nur dass sie auch nicht möchten, dass ich werfe …«
» … weil du so gut bist, hä?« Das Mädchen grinst.
»Wie heißt du, Junge?«
»Patrick Ryan Shepherd.«
»Tja, Patrick Ryan Shepherd, wir sind gerade auf dem Nachhauseweg von der Synagoge, anschließend fahren wir rüber zur Roosevelt High, um uns das Gerangel der Baseball-Mannschaft anzusehen. Warum schnappst du dir nicht deinen Handschuh und triffst dich dort mit uns? Vielleicht lass ich dich beim Schlagtraining werfen.«
»Schlagtraining? Moment … Sind Sie der neue Baseball-Coach? «
»Morrie Segal. Das ist meine Tochter …«
»… Nein, komm mir nicht zu nahe, du stinkst. Geh nach Hause, duschen, Shep.«
»Shep?«
»Das ist dein neuer Spitzname. Dad lässt mich allen Spielern Namen geben. Jetzt geh, bevor ich deinen Namen in Stinkender Pete ändere.«
Coach Segal zwinkert, dann führt er seine Tochter fort.
Der Himmel schwimmt in Blau, der Augusttag ist prächtig …
… der Tag, an dem sich für Patrick Shepherd das Leben veränderte – der Tag, an dem er sich verliebte.
Der Mann ohne linken Arm öffnete die Augen. Der Phantomschmerz war abgeklungen, ersetzt durch etwas viel Schlimmeres.
Es war elf Jahre her, seit er zum letzten Mal die einzige Frau geküsst hatte, die er je geliebt hat, elf lange Jahre, seit er sie in den Armen gehalten oder zugesehen hatte, wie sie mit ihrer gemeinsamen kleinen Tochter spielte. Die Sehnsucht zerriss ihn im Innersten; sein Herz war wie ein Damm, der kurz davorstand, zu brechen
und dabei einen angeschwollenen Fluss aus Frustration und Wut freizusetzen.
Patrick Shepherd verabscheute sein Dasein. Jeder Gedanke war Gift, jede Entscheidung der letzten elf Jahre verflucht. Tagsüber erlitt er die Demütigung des Opfers, nachts wurde er der Schurke, dessen Handlungen in vergangenen Kämpfen in herzzerreißenden, schädelerschütternden, nervenzerfetzenden Albträumen menschlicher Gewalttätigkeit wiederholt wurden, deren Realität kein Horrorstreifen jemals auf Zelluloid bannen konnte. Und doch, sosehr er sich selbst verachtete, noch mehr hasste Patrick Gott, denn es war sein verwünschter Schöpfer, sein ewiger Hüter der Gleichgültigkeit, der auftauchte wie ein Dieb in der Nacht und die Erinnerung an Sheps Familie aus seinem Gehirn entfernte und an ihrer statt ein leeres Loch zurückließ. Sosehr er sich auch bemühte, Patrick konnte die Leere nicht füllen, und die Frustration, die er empfand – die schiere Wut –, ist viel mehr, als ein einzelner Mensch ertragen kann.
Seine nackten Zehen krallten sich in die Betonkante. Ein seltsames Gefühl der Ruhe übermannte sein Dasein, wie eine wohltuende Flut. Patrick blickte ein letztes Mal nach oben in den klaren, blauen Augusthimmel. Ließ einen gutturalen Urschrei los, der seinen Tod ankündigte, und …
Nein.
Er verharrte in der Bewegung, unsicher auf einem Bein balancierend. Die geflüsterte Stimme war männlich und vertraut; sie zischte durch seinen Kopf wie eine Stimmgabel. Patrick Shepherd fuhr erschrocken mit dem Kopf herum. »Wer hat das gesagt?«
Der leere Hubschrauberlandeplatz verhöhnte ihn. Dann öffnete sich plötzlich der Dachausgang, und aus dem
Treppenhausschacht tauchte eine dunkelhaarige Schönheit auf. Ihr weißer Arztkittel flatterte im Wind. »Sergeant Shepherd?«
»Nennen Sie mich nicht so. Nennen Sie mich niemals so!«
»Tut mir leid.« Dr. Nelson trat vorsichtig näher. »Ist es in Ordnung, wenn ich Sie Patrick nenne?«
»Wer sind Sie?«
»Leigh Nelson. Ich bin Ihre Ärztin.«
»Sind Sie Kardiologin?«
Auf diese Erwiderung war sie nicht gefasst. »Brauchen Sie eine?« Sie sah die Tränen. Seinen gequälten Gesichtsausdruck. »Hören Sie, ich habe eine Grundregel: Wenn Sie sich umbringen wollen, warten Sie wenigstens bis Mittwoch.«
Shepherds Gesichtsausdruck veränderte sich, seine Wut milderte sich zu Verwirrung. »Wieso Mittwoch?«
»Mittwoch ist die Mitte der Arbeitswoche. Spätestens am Mittwoch hat man den Freitag klar im Blick, dann hat man das Wochenende, und wer will sich schon an einem Wochenende abmurksen? Wo die Yankees im Moment so gut spielen.«
Die Andeutung eines Lächelns umzuckte Patricks Mundwinkel. »Eigentlich sollte ich die Yankees hassen.«
»Das muss ein ziemliches Problem gewesen sein, ein Sohn Brooklyns, der für die Red Sox wirft. Kein
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