Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2
wie sie miteinander flüsterten. Es herrschte dieselbe Anspannung wie vor einem Footballspiel. Vor einem Rennen.
»Lass uns gehen, Tom.« Roses sanfte Stimme. »Du hast erreicht, was du wolltest.«
Toms Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Er war sich bewusst, dass er zwei Joker in der Hand hatte. Die Waffe in seiner Hand und der Kasten, den Roberts Finger umklammert hielten.
»Wie ist sein Puls?«, fragte ich Julia.
Sie brachte kein Wort über die Lippen, sondern nickte nur. Und wie sie so ausgestreckt neben Chris lag, seine Hand in ihrer, den Zeigefinger an seinem Puls, fühlte ich, dass es vorbei war. Es tat mir nicht mehr weh. Sie gehörte zu Chris. Und ich … ich brauchte etwas anderes. Ich konnte Vic nicht einfach ersetzen. Es war schizophren, ja, aber ich fühlte mich plötzlich frei. Für einige Sekunden. So lange, bis es dumpf im Lautsprecher knackte, und dann hörten wir, wie eine Frau sagte: »Tom?«
25. Im Zeichen des Kojoten
»Tom? Können Sie mich hören?«
Tom hielt die Pistole fest umklammert. Ohne uns aus den Augen zu lassen oder auf den Lautsprecher zu achten, zog er aus der Hosentasche eine Schachtel mit Patronen und lud das Magazin auf. Erst als er die Waffe wieder hob, erkannte Rose, dass sie alle nicht aufmerksam genug gewesen waren. Für einen Moment hatte Tom die Waffe auf den Boden gerichtet. Die Stimme hatte sie abgelenkt. Die Stimme, die eigentlich Hoffnung bedeutete.
Sie schlang die Arme um ihre nackten Schultern. Ein Hauch von Kälte ließ sie erzittern, obwohl es im Raum immer noch grauenhaft stickig und warm war.
»Tom?«
Rose räusperte sich. »Ja, er kann Sie hören.«
Toms hasserfüllter Blick traf mich. »Versuch das nicht, Rose.«
Sie wandte die Augen nicht ab.
»Versuch nicht, meine Fragen für mich zu beantworten.«
Ein leises Rauschen begleitete die nächsten Worte, die aus dem Lautsprecher kamen.
»Willst du mit mir reden, Tom?«
»Wer sind Sie?«
»Ich komme von der University of British Columbia. Mein Name ist Dr. Monique Bruneau.«
»Sie sind Franko-Kanadierin?«
»Ja.«
»Und ein weiblicher Gehirnklempner.«
»Wenn du es so nennen willst.«
»Na ja, es gibt noch andere Bezeichnungen. Seelenklempner, Kopfverdreher, Klapsdoktor.«
»Ich kann dir helfen, Tom.«
»Es gab schon so viele Lügen, die ich mir merken musste.«
»Das ist aus About a boy, oder?«
Rose war für einen Moment verblüfft. Sie hatte nicht mal ansatzweise gemerkt, dass Tom wieder zitiert hatte. Auch er schien aus dem Konzept gebracht zu sein. »Keine Fragen«, fauchte er.
»Okay. Wie du willst.«
»Sie sind mit dem Hubschrauber gekommen?«
»Ja.«
»Kein Nebel?«
»Nein.«
»Schade. Ich liebe den Nebel. Kennen Sie den Film Der Nebel? Er ist nach einer Kurzgeschichte von Stephen King entstanden. Der Regisseur war Frank Darabont. Die Premiere fand am 21. November 2007 statt.«
»Du magst Filme.«
»Spielberg hat gesagt, das Kino ist ein Vorwand, sein eigenes Leben ein paar Stunden zu verlassen.«
»Tust du das gerade? Dein Leben verlassen?«
»Jetzt sind Sie am Arsch.«
»Wie …«
»Wenn Sie mir das nächste Mal eine Frage stellen, werde ich hier jemanden erschießen. Kapiert?«
»Kapiert.«
»Gut.«
»Steven Spielberg ist ein kluger Mann. Aber du solltest dir überlegen, ob du im Leben nur diesen einen Film drehen willst. Es gibt noch so viel mehr zu erzählen.«
»Liegt sie auf Ihrem Schoß?«
Sekundenlang herrschte Stille. Dann ein kurzes Räuspern.
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Meine Akte. Liegt sie vor Ihnen?«
»Ja.«
»Zerreißen Sie sie.«
Rose konnte sich vorstellen, wie schwer es war, dieses Gespräch zu führen, ohne Fragen zu stellen. In ihrem Kopf jedenfalls wurde jeder Gedanke zu einer einzigen Frage. Warum?
Die Psychologin reagiert nicht sofort.
»Sie sollen sie zerreißen!«
Als Tom losbrüllte, fuhr Rose zusammen. Nicht weil sie erschrak, sondern weil sie nicht begriff, was Dr. Bruneau vorhatte. Wollte sie ihn wirklich in die Enge treiben, ihn zur Weißglut bringen? Im nächsten Moment hörten sie das Rascheln aus dem Lautsprecher. Die Psychologin ließ sich Zeit, die einzelnen Blätter in Stücke zu reißen.
Zeit, in der Tom sich beruhigte. Zeit, in der er sich wieder auf sie alle konzentrieren konnte.
»Okay, ich sitze hier zwischen lauter Papierfetzen, Tom. Und nun … nun bitte ich dich, lass deine Geiseln frei.«
»Warum sollte ich jemanden freilassen?«
»Damit rettest du dich selbst.«
»Wer sagt, dass ich gerettet
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