Das Erbe der Apothekerin - Roman
seltenen Male, die sie mit Konrad allein hatte verbringen können. Die Tugend junger Mädchen wurde in angesehenen Familien eifersüchtiger bewacht als ein Haufen Gold; aber nach einem beiderseitigen öffentlichen Eheversprechen nahm man es im Allgemeinen
nicht mehr so genau mit dem Erhalt der Jungfräulichkeit.
Ein rechtmäßig verlobter junger Mann durfte durchaus stillschweigend mit einem gewissen »Entgegenkommen« seiner Auserwählten rechnen.
Bei Magdalena und Konrad verhielt es sich nicht anders. Beide waren jung, gesund und unheimlich verliebt. In jener Nacht, ehe sie für eine gewisse Zeit ins Kloster gegangen war, hatten sie zueinander gefunden. Als Konrad und sie in ihrem Bett nebeneinander lagen, hatte das Mädchen auf einmal Angst vor dem Unbekannten bekommen, und der junge Mann musste sehr vorsichtig sein, um seine Liebste nicht zu erschrecken. Er ließ sich Zeit, war nur unendlich zärtlich …
»Meine Schönste, meine einzig Geliebte«, hatte er ihr ins Ohr geflüstert, »ich liebe dich so sehr. Nichts wünsche ich mir sehnlicher, als dich ganz als meine Frau zu besitzen.«
Da hatte sie dem sanften, doch nachdrücklichen Drängen endlich nachgegeben, die Arme um ihren Liebsten geschlungen, ihm gestattet, sich auf sie zu legen, und ihn – indem sie die Schenkel bereitwillig öffnete – in sich aufgenommen.
Und da musste es passiert sein!
Dass ihre monatliche Reinigung unterblieb, beachtete das junge Mädchen erst gar nicht sonderlich. Die Aufregung über das völlig andere Leben im Kloster, mit seinem ganz eigenen Rhythmus, mochte eine Rolle spielen, die schwere Plackerei in der Krankenstube, das stundenlange Beten in der kalten Kapelle und die Arbeit in der Klosterküche, mit nackten Füßen auf dem eisigen Steinboden.
Im nächsten Monat, als ihre Regel immer noch ausblieb, wunderte sie sich zwar, war aber noch voll naiver Sorglosigkeit. Vom ersten und einzigen Mal konnte man doch kein
Kind bekommen, oder? Außerdem fühlte sie sich gut: keine Spur von Übelkeit und Erbrechen, wie sie es von anderen Frauen, die in gesegneten Umständen waren, kannte. Im Gegenteil: Sie fühlte sich, als könne sie Bäume ausreißen.
Danach kam der Schock über den unerwarteten Tod des Vaters. Sie war fast versucht, das Ausbleiben ihrer Menses jetzt darauf zu schieben, aber dann fand sie, es sei feige und dumm zugleich, die Augen vor dem Offensichtlichen zu verschließen: Sie erwartete ganz gewiss ein Kind von Konrad!
Wie würde er reagieren, wenn sie es ihm mitteilte? Sicher mit jener sonderbaren und zugleich liebenswerten Mischung aus Freude, Verlegenheit, Stolz und einer in dieser Sache den Männern offenbar eigentümlichen Unbeholfenheit …
Von ihren bereits verheirateten Freundinnen wusste sie, dass die Herren der Schöpfung immer merkwürdig überrascht waren von der Ankündigung, in Kürze Väter zu werden. Bereits Sechsjährige wussten, dass kleine Kinder durch das »Beieinanderliegen« von Mann und Frau entstanden – dieses Wissen schien den erwachsenen Männern irgendwie abhanden gekommen zu sein.
Hatten sie es dann begriffen, taten sie so, als wäre das Zeugen von Nachwuchs eine ganz besonders schwierige und seltene Fähigkeit, über die nur ganz wenige verfügten … Magdalena musste sich das Lachen verkneifen. An einer Sache zweifelte sie allerdings nicht: Konrad wäre der glücklichste Mensch auf Gottes Erdboden – wenn er es wüsste.
Und dass sie schnellstens »unter die Haube kam«, darum würde er sich schon kümmern. Gerede würde es natürlich trotzdem geben: Die Leute, vor allem die alten Klatschbasen in der Stadt, konnten schließlich rechnen: Auch die Unbedarfteste vermochte bis neun zu zählen …
Aber das konnte ihr dann egal sein. Hauptsache, ihr Bauch
war am Tag der Hochzeit nicht schon so dick, dass jeder sehen konnte, dass sie nicht hatten warten können.
Auch als sie in ihrem tiefsten Inneren um die Schwangerschaft eigentlich schon wusste, hatte Magdalena doch noch mit so mancher Frage gerungen: Wieso fühlte sie denn nichts? Ab wann bewegte sich eigentlich das werdende Leben im Leib einer Frau?
»Ich weiß zwar eine ganze Menge über alle möglichen Wehwehchen und Krankheiten, aber von so normalen Angelegenheiten wie dem Mutterwerden habe ich keinen blassen Schimmer. Davon erzählt man einem jungfräulichen Mädchen nichts!«, dachte sie und war verstimmt. Vielleicht war sie am Ende doch nicht in anderen Umständen?
Erst das Erlebnis mit einer alten Bettlerin, die
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