Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
neues Bett, das gerade fertig gestellte Küchenhäuschen, allerlei neue Gerätschaften in der Braustube sowie diverse zusätzliche Wämser, Kittel und Hemden für sie und das Gesinde, und sie gaben auch jeden Sonntag den Armen reichlich. Sie hatten zwei weitere Lehrbuben und einen Knecht aufgenommen und planten für die Zeit nach Madlens Niederkunft die Eröffnung eines zweiten Brauhauses. Ansonsten aber unterschied sich ihr Alltag kaum von dem der anderen Brauereibesitzer in Köln. Madlen gönnte sich keinerlei Luxus, abgesehen vielleicht von den feinen Seifenstücken und den teuren Schwämmen, die sie gelegentlich kaufte und mit Begeisterung im Badehaus benutzte.
Die Wasserburg bei Kerpen schien Tausende von Meilen weit weg zu sein. Sie waren übereingekommen, dass sie immer noch da wohnen konnten, wenn sie es wollten. Vorerst war der Besitz in guten Händen – Veit und Blithildis waren schon vor Monaten dorthin gezogen, gleich nach ihrer Heirat, und Blithildis hatte bereits mehrfach verlauten lassen, dass es keinen besseren Burgvogt gebe als Veit.
Der frühere Vogt, Sewolt, war mit seiner Tochter und seinem Enkelsohn ins Bergische gezogen, und Madlen hoffte, dass ihnen dort ein friedliches Leben beschieden war.
Sie hörte Schritte und wandte sich um. Johann kam zu ihr in den Garten und legte die Arme um sie. »Wie geht es meiner nimmermüden Gemahlin?«
»Bestens. Und deinem Sohn auch.« Sie griff nach seiner Hand und drückte sie auf ihren runden Leib, bis er das Stupsen unter der Bauchdecke fühlte.
»Oh!« Er lachte begeistert. »Das scheint mir jetzt schon ein richtiger Wildfang zu sein!« Er kniff ein Auge zu. »Aber was, wenn es gar kein Sohn, sondern eine Tochter wird?«
»Dann bringen wir ihr das Brauen bei.«
Er war verschwitzt von der Arbeit, und seine Bartstoppeln kratzten wie immer, als er sie küsste. Voller Verlangen erwiderte sie seine Zärtlichkeit, dann holte sie die Pergamentrolle aus ihrer Kitteltasche. »Hier, das hätte ich beinahe vergessen. Du hast einen Brief bekommen.«
Er betrachtete nachsichtig das gebrochene Siegel. »Du hast ihn gelesen.«
»Natürlich«, sagte sie stolz. Inzwischen konnte sie es recht gut. »Er ist von Ursel. Sie schreibt aus dem Kloster in Venedig. Dass sie dort fröhliche Feste feiern, unanständige Lieder singen, den allerbesten Wein trinken und Seidenkleider tragen.« Skeptisch krauste sie die Stirn. »Meinst du, dass das stimmt?«
»Nun ja, vermutlich schon. In Venedig nehmen sie manche Dinge nicht so genau wie wir hier in unserem heiligen Köln.« Er lächelte mit gutmütigem Spott. »Was schreibt sie sonst noch?«
»Dasselbe wie im letzten Brief. Dass sie dich über alles liebt und sofort zurückkommt, falls du dereinst Witwer bist. Ach ja, und Simon und Diether sollen mittlerweile sehr erfolgreich im Gewürzhandel sein, sie haben ein Kontor am Rialto. Was immer das ist.« Sie strahlte ihn an, und er lachte auf und schlang erneut die Arme um sie. Die Sonne tauchte alles um sie herum in ein goldenes Licht, es war still hier draußen im Garten, bis auf das vereinzelte Gackern der Hühner. Es roch nach Kräutern und frischem Malz, vermischt mit dem erdigen, kühlen Geruch des anbrechenden Herbsts. Madlen atmete tief ein, dann blickte sie ihrem Mann in die Augen, nahm seine Hände und legte sie sanft um ihr Gesicht.
E
nde
GLOSSAR
AKZISEMEISTER
Steuerbeamter
AUFHALTER
Hilfsarbeiter, die die Säcke zum Befüllen aufhielten
BACHE
weibliches Wildschwein
BLAUER STEIN
großer Steinblock, der sich in früheren Jahrhunderten auf dem Kölner Domhof befand. Die zum Tode Verurteilten wurden in einem Ritual drei Mal dagegengestoßen, bevor man sie auf den Richtplatz brachte.
BRUCHE
(auch Brouche), männliche Unterhose im Mittelalter, optisch heutigen Boxershorts ähnelnd
CALCULI
s. Rechentuch
COTTE
mittelalterliches Schlupfkleid, das unter dem Surcot (s. dort) getragen wurde
DOLLBIER
Bier, das rauschartige Wirkung hat (oft aufgrund bestimmter drogenartiger Pflanzenauszüge; doll = verrückt)
FISCHMENGER
Fischverkäufer
GADDEM
Verkaufsbude
GEBENDE
mittelalterliche Kopfbedeckung, die um Ohren, Stirn und Kinn gewickelt wurde
GELD
für 1 Pfennig (ca. 1 g Silber) bekam man z.B. ein Huhn oder einen Laib Roggenbrot; brauchte man kleineres Geld, wurde der Pfennig halbiert oder geviertelt. 1 Gulden hatte einen Wert von 240 Pfennigen.
GESCHLECHTER
Patrizier, Adelsfamilien
GOLDGRÄBER
Kloakenreiniger
GULDEN
s. Geld
GREVE
höherer
Weitere Kostenlose Bücher