Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Erde kommst. Dass es auch anders möglich ist, muss ich wohl nicht erst erwähnen.«
Ein schwaches, von vielen mühsamen Pausen unterbrochenes Murmeln drang aus dem blutverkrusteten Mund, Madlen musste sich vorbeugen, um es zu verstehen.
»Ich wollte es nicht, Madlen. Ich wollte nur das Geld aus eurem Keller holen. Ich wusste ja, dass ihr es da unten versteckt hattet, er hat’s mir mal erzählt. Er hatte mich fast entdeckt, ich konnte nicht anders. Es tut mir leid.«
»Was?«, stammelte Madlen, doch Jacop war verstummt.
Hermann mischte sich ein. »Er hat wieder das Bewusstsein verloren, meist kommt er nur noch kurz zu sich, aber wie Ihr leicht habt heraushören können, hat er Euren Mann umgebracht. Euren ersten Mann«, fügte er hinzu, bevor es deswegen Missverständnisse geben konnte. »Das Geld wollte er natürlich für Appolonia. Die er übrigens gestern ebenfalls umgebracht hat. Das ist auch der Grund, warum er jetzt so aussieht.« In Hermanns Miene war nichts Freundliches oder Leutseliges mehr, seine Augen waren hart wie Stein. »Sie hat mir viel bedeutet. Mehr als alle anderen Menschen.«
Er zog die Decke wieder über Jacop und gab dem Schinder ein Zeichen, worauf der Esel sich in Bewegung setzte und der Karren ruckend anrollte. Hermann wandte sich ab, um zu seinem Pferd zu gehen, das er am Straßenrand angebunden hatte. Er saß auf und ritt dem Karren hinterher.
Madlen blieb stumm stehen und starrte ihm nach, bis er ihren Blicken entschwunden war.
Als sie nach einer Weile die Kraft aufbrachte, wieder zu ihrem Fuhrwerk zurückzugehen, traf sie dort auf Irmla, Caspar und Willi, die ihr beunruhigt entgegenblickten.
»Was ist geschehen?«, wollte Irmla wissen. »Wo warst du?« Sie deutete auf die Fässer. »Ein jeder hätte sich hier bedienen und alles mitnehmen können!«
Caspar musterte Madlen besorgt. »Barthel sagte mir, er habe dich mit dem Scharfrichter fortgehen sehen. Was wollte der Kerl von dir?«
Ein verschreckter Ausruf von Irmla schnitt ihm das Wort ab. Cuntz kam schnaufend herangetaumelt und hielt sich mit verzerrtem Gesicht die Seiten. »Bei Gott, ich wusste, ich finde dich!« Unter abgehackten Keuchlauten stieß er eine Reihe zusammenhangloser Sätze hervor: »Stell dir vor, der Kerl hat den armen Ludwig vorgeschickt, damit wir ihm die Tür öffnen, und dann hat er sich auf Blithildis geworfen und sie mit dem Messer verletzt, aber ich habe ihn mit der Armbrust erwischt, und dann bin ich in die Glockengasse gelaufen, dort hab ich die Beginenmeisterin …«
Bereits bei seinen ersten Worten war Madlen davongestürmt. Irmla griff sich ans Herz. »Heilige Barbara, steh mir bei! An was für eine Herrschaft bin ich nur geraten!« Dann sagte sie zu Caspar: »Was stehst du noch hier herum, du fauler Strick? Lauf ihr nach, vielleicht kann sie Hilfe brauchen.«
Madlen sah sich um, als sie die Schritte hinter sich hörte. Erleichtert sah sie, dass Caspar ihr gefolgt war. Er schloss rasch auf und lief neben ihr her. »Was wollte der Scharfrichter von dir, Madlen?«
»Ich weiß jetzt, wer es war«, sagte sie, keuchend vom schnellen Laufen.
»Wer was war?«
»Der Mörder, der sich bei uns eingeschlichen hat.«
Ein seltsamer Laut Caspars ließ sie innehalten und sich zu ihm umdrehen. Er war abrupt stehen geblieben. Sein Gesicht war unnatürlich bleich, seine Miene fassungslos.
Madlen spürte, wie ihr das Blut zum Herzen strömte, ihre Hände und Füße waren auf einmal eiskalt. O Gott, bitte lass es nicht Caspar gewesen sein!, durchfuhr es sie, während sie in seinem Gesicht die Wahrheit las, die er ihr durch sein Erschrecken offenbart hatte. Mit Konrads Tod hatte er nichts zu tun, das war Jacop gewesen. Aber er hatte versucht, Johann zu erschlagen und es so aussehen zu lassen, als habe es derselbe Mörder getan.
»Caspar«, flüsterte sie.
»Nun weißt du es also.« Er kam auf sie zu. »Ich hätte dir ein guter Mann sein können, Madlen.«
Er legte beide Hände auf ihre Schultern, die Daumen strichen über ihren Hals. Sein Blick war verhangen, in den Tiefen seiner Augen lag etwas Dunkles, Abgründiges verborgen, das sie bisher nie gesehen hatte. »Ich könnte sagen, dass es mir leidtut, aber das wäre gelogen. Eines Tages hätte ich es vielleicht wieder versucht, wer weiß. Irgendwann hätte er dich womöglich schlecht behandelt, dann wäre ich zur Stelle gewesen. Ich hätte auf dich aufgepasst, Madlen.« Er beugte sich vor und küsste sie sacht auf die Lippen. »Hast du es denn nie
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