Das Erbe der Pandora
zur Ordnung. Vorhin
hast du dir noch darüber Sorgen gemacht, was die Leute wohl denken, wenn du zu
weinerlich wirst, und jetzt lachst du den Leichnam an. Wie unangebracht ist das
denn, Miss Thorne? Aber niemand wußte, daß sie gemeinsam mit ihrer Freundin
über den Witz lachte. Dann wurde sie ernst. Ich werde dich nicht
enttäuschen, Bridget, schwor sie. Das verspreche ich dir. Sie ging
weiter und verließ rasch die Kapelle.
Das Wetter war schön. Nachdem der
Santa-Ana-Wind nachgelassen hatte, waren die Temperaturen auf angenehme zwanzig
Grad gesunken. Der Himmel war etwas diesig, aber es gab keine Anzeichen für
Regen. Durch die Sonne, die im Dunst reflektiert wurde, blendete das helle
Licht. Iris setzte ihre Sonnenbrille auf.
Einige stiegen in ihre Autos, um zum
Grab zu fahren, aber die meisten gingen den steilen Hügel zu Fuß hinauf. Iris
folgte der Menge und lauschte den Gesprächen.
»Schrecklich, wenn ein Kind vor den
Eltern stirbt«, sagte eine ältere Dame. »Sie war zu jung«, stimmte ihr
Begleiter zu. jemand anderes sagte, es sei eine Tragödie, und der Mann hinter
ihm hielt es für Gottes Willen. Ein anderer Trauergast gab der Gesellschaft die
Schuld. Alles Platitüden, und alle waren sie wahr. Der Tod war nun mal das
prosaischste Ereignis der Welt.
Die hohe, näselnde Stimme hinter Iris
schmerzte in den Ohren, so als kratzte eine Nadel über eine Schallplatte: »Ein
Priester entschließt sich zu einem Besuch in einem nahegelegenen Kloster, das
in einer heruntergekommenen Gegend liegt.«
Iris schaute zurück und erwartete, Sam
Eastman zu sehen, der neben T. Duke Sawyer schlenderte, aber statt dessen sah
sie T. Duke umgeben von Toni, Mick und Today, die von seiner Geschichte
gefesselt zu sein schienen. Baines ging ein paar Schritte hinter der Gruppe und
hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt. Iris sah sich nach Sam Eastman um
und entdeckte ihn nirgends.
T. Duke redete weiter: »Als der
Priester die Straße entlanggeht, wird er von mehreren Prostituierten
angesprochen, die sich ihm anbieten: >Zwanzig Mäuse die Nummer! Zwanzig
Mäuse die Nummer!< Er ist ein junger Priester vom Lande, noch ziemlich
feucht hinter den Ohren, und die Situation ist ihm unangenehm. Er guckt starr
auf den Boden und geht rasch weiter, bis er im Kloster ankommt. Als er drinnen
ist, fragt er die Mutter Oberin: >Was muß man bei einer Nummer machen?<
Sie antwortet: >Vorher zwanzig Mäuse bezahlen, mein Sohn, genauso wie auf
der Straße.<«
Die Gruppe lachte, und Iris war
entsetzt. Sie fragte sich, warum Mick, Toni und Today so herzlich lachten, fast
so als wollten sie T. Duke beeindrucken. Ihr kam der Gedanke, daß man genau so
einen Chef zu beeindrucken versuchte. Sie grollte immer noch, als T. Duke sie
in die Gruppe hineinzog.
»Da haben wir die Frau der Stunde.
Vielleicht erzählt sie uns ja, welche Pläne sie für Pandora hat.«
Iris verlangsamte ihren Gang, um mit
ihm auf gleiche Höhe zu kommen. »Ich habe ein paar Ideen, aber ich möchte sie
in eine feste Form bringen, bevor ich irgend etwas verkünde.« In Wahrheit wußte
sie genau, was sie vorhatte, aber sie weigerte sich, von T. Duke Sawyer spontan
festgelegt zu werden. Sie würde den passenden Ort und Zeitpunkt wählen.
T. Duke atmete geräuschvoll ein. »Aha?
Ich dachte, so eine schlaue Lady wie Sie hätte schon ein paar Ideen.«
Iris knirschte mit den Zähnen,
reagierte aber nicht auf den herablassenden Kommentar. »Nun«, fuhr er fort,
»Sie hätten vielleicht gern eine Information, die Ihnen dabei hilft, Ihre Ideen in eine feste Form zu bringen.« Er plapperte bewußt ihre Worte nach.
»Toni, Mick und Today zeigen recht großes Interesse an meinem Plan, Pandora zu
kaufen. Sie erinnern sich vielleicht an das Angebot, das ich Kip und Bridget
neulich gemacht habe.«
Ja, dachte Iris, das Angebot, das die
beiden abgelehnt haben, weil es zu niedrig war und sie dazu gezwungen hätte,
die Kontrolle über die Firma abzutreten, die sie aus dem Nichts aufgebaut
hatten.
Das grelle Licht der Sonne verlieh T.
Dukes betonten Gesichtszügen etwas Groteskes. Iris schoß der Gedanke durch den
Kopf, daß selbst Kerzenlicht bei dieser Visage nichts mehr ausrichten könnte.
Er blieb stehen und — wie auf Befehl — alle anderen auch.
Widerwillig blieb Iris ebenfalls
stehen.
»Das Angebot ist noch auf dem Tisch,
aufgrund der tragischen Ereignisse der letzten Tage natürlich mit ein paar
Modifikationen.«
Baines stand neben Iris. Er schien so
unerschütterlich wie die
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