Das Erbe der Pandora
plötzlich auf allen Kanälen präsent war und deren
Auftritte absichtlich schwer zu übersehen waren. Iris wäre von der
Cross-Geschichte so fasziniert gewesen wie von den Abenteuern jedes beliebigen
Stubenhockers, wenn sie nicht selbst mitten in diesem Schlamassel gesteckt
hätte.
Als Iris den Gang zwischen den
Sitzreihen entlangging, entdeckte Toni sie und gab Mick Ha und Today Rhea ein
Zeichen, weiterzurutschen und Platz für sie zu machen. Iris setzte sich und war
dankbar, daß Toni einen Platz für sie gefunden hatte, so daß sie nicht den
neben T. Duke hatte nehmen müssen. Er saß ein paar Reihen weiter vorne und
hatte zur Tür gesehen, als Iris hereinkam, so als hätte er auf sie gewartet.
Neben ihm war noch ein Platz frei, einer der wenigen in der überfüllten Kirche,
und Iris hatte das Gefühl, er hatte ihn für sie reserviert.
Der Pastor von Bridgets Kirche hielt
die Andacht. Bridget war als Presbyterianerin erzogen worden. Sie hatte ihr
Engagement in den kirchlichen Organisationen einschlafen lassen, bis Brianna
zwei Jahre alt war. Damals hatte sie begonnen, ihre Tochter trotz Kips
Einwänden mit zur Kirche zu nehmen. In der Welt von Kip Cross, in der Verstand
und Logik regierten, gehörte die Existenz Gottes zu einer verschwommenen Welt
von Dingen, die rational nicht bewiesen werden konnten und daher falsch waren.
Toni berührte Iris’ Bein, und Iris
bemerkte, daß ihre Augen rot und geschwollen waren. Neben Toni saß Mick, der
auf einem kleinen Block vor sich hin zeichnete. Neben ihm rutschte Today unruhig
hin und her, eingezwängt in seine altmodische dunkle Jeans und ein weißes Hemd,
schlug abwechselnd die Beine übereinander und klopfte sich mit der Hand
rhythmisch aufs Knie. Iris verdrehte den Kopf, um zu sehen, was Mick zeichnete.
Es war eine mit dünnem Bleistift angefertigte Skizze des offenen Sarges mit dem
Profil von Bridget.
Der Pastor gab die Stationen von
Bridgets Leben wieder, aber Iris konnte ihm nicht zuhören. Es hätte bedeutet,
sich der Trauer hingeben zu müssen. Sie vermied es sogar, in seine Richtung zu
schauen, damit der Sarg nicht in ihr Gesichtsfeld geriet. Statt dessen
betrachtete sie die vielen Blumen und die Trauergäste. Sie sah die Ehefrauen
von Bridgets Brüdern und deren Kinder, die sie auch an dem Tag getroffen hatte,
als sie Natalie und Joe Tyler besucht hatte. Sie erkannte ein paar Freunde vom
College. Baines saß steif neben T. Duke Sawyer. In den hinteren Reihen
entdeckte sie Tiffany Stubbs und Jess Ortiz, die Beamten von der Mordkommision,
die im Mordfall Bridget Cross ermittelten. Bridgets Eltern oder Brüder sah sie
nicht. Sie saßen wahrscheinlich rechts von Bridgets Sarg in dem Bereich, der
den engsten Familienangehörigen vorbehalten war und der durch einen hauchdünnen
rosafarbenen Vorhang vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützt war. Brianna
war nicht da. Natalie war zu dem Schluß gekommen, daß es für das ohnehin schon
verängstigte kleine Mädchen zuviel werden würde. Kip war aus dem Gefängnis
entlassen worden, um dem Begräbnis seiner Frau beiwohnen zu können, und saß
wahrscheinlich hinter dem rosafarbenem Vorhang bei Bridgets Familie.
Jemand berührte Iris’ Arm. Sie drehte
sich um und war überrascht, als sie ihren Boß Sam Eastman im Gang stehen sah.
Er nickte ihr trübsinnig zu und ging weiter. Ihres Wissens nach hatte er Bridget
zum erstenmal gesehen, als sie am Tag vor ihrer Ermordung in Iris’ Büro
vorbeigekommen war. Das war ein dürftiger Grund, um an dem Begräbnis der Frau
teilzunehmen.
Iris starrte Löcher in Sams Rücken,
als er sich schwerfällig neben T. Duke Sawyer niederließ. Sie dachte sich
nichts dabei; der Platz lag am Gang, und fast alle anderen waren besetzt. Sie
fing erst an, argwöhnisch zu werden, als sie sah, daß ihr Chef T. Duke die Hand
schüttelte, aber sie ermahnte sich, einer solchen Begrüßung keine allzu große Bedeutung
beizumessen. Sam hatte vergangene Woche seine Bewunderung für T. Duke
kundgetan. Er war in gewissem Sinne ein Aufsteiger. Vielleicht hielt er
Bridgets Beerdigung für eine gute Gelegenheit, um den berühmt-berüchtigten
König der Übernahmen kennenzulernen. Jetzt flüsterten sich Sam und T. Duke
angeregt gegenseitig ins Ohr, viel länger als nötig, um banale Höflichkeiten
auszutauschen, zumal der Gottesdienst abgehalten wurde. Irgend etwas lag da in
der Luft.
Iris wurde aus ihren Gedanken
geschreckt, als sich Toni an ihr vorbeidrängte, um zum Podium nach vorne zu
gehen. Iris
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