Das Erbe der Pandora
Augen waren
immer von dunklen Schatten umgeben, und der Bauch und die Hüften hatten
rundliche Formen angenommen. Er lächelte gern wie jeder gute Händler, aber es
spiegelte sich nie in seinen Augen wider. Er erzählte die besten Witze, er
redete und gab sich, wie man es von ihm erwartete, aber Iris kam es so vor, als
riebe er sich innerlich auf. Er hatte so eine Unzufriedenheit an sich, die kein
Lächeln und kein Witz seinerseits verbergen konnte — zumindest nicht vor ihr.
Etwas an seiner gereizten Stimmung
veranlaßte Iris, sich in seiner Gegenwart überaus fröhlich zu geben. Damit wollte
sie einerseits seiner heimtückisch mürrischen Miene begegnen und sich
andererseits rächen, so als wollte sie ihm sagen: »Sieh mich an, du Scheißkerl.
Du hast versucht, mich niederzumachen, aber ich bin glücklich, glücklich,
einfach glücklich!« Für ein gelegentliches kleines Gedankenspiel war sie sich
nicht zu schade.
»Guten Morgen, Sam!« sagte sie
fröhlich. »Schön, Sie zu sehen!« Sie warf rasch ihre Aktentasche und die
Handtasche auf den Schreibtisch und griff nach ihrer Tasse mit der Aufschrift Budgets sind nur was für Schlappschwänze, die
noch genau dort stand, wo sie sie am Abend zuvor hatte stehen lassen.
Sam deutete auf den Spruch auf dem
Becher. »Ich hielt das nur für einen Witz, aber jetzt denke ich, daß es
tatsächlich Ihre Philosophie wiedergibt.«
Sie warf den Kopf zurück und lachte,
als wäre es das Witzigste, was sie die ganze Woche über gehört hatte. »Bin
sofort wieder da. Ich brauche nur noch eine Tasse frischen Kaffee.« Sie
zwinkerte ihm zu und schritt aus dem Büro.
Vor der Tür schaute Louise zu ihr auf.
Iris entblößte ihre beiden Zahnreihen zu einer wilden Grimasse. Rasch setzte
sie ihre professionelle Maske wieder auf, bevor jemand anderes sie sehen
konnte, und ging mit winzigen Schritten zu dem Büro von Liz Martini, das direkt
gegenüber von ihrem in der nordwestlichen Ecke der Bürosuite lag.
Liz redete in das Mikrofon ihres
Headsets. »Hör mal, Schätzchen, du weißt, daß ich dich nicht schlecht beraten
würde. Du redest hier mit Liz! Okay, gib den Kindern einen Kuß von mir.« Sie
schickte Kußgeräusche über die Leitung. »Und grüß Susan von mir. Ich meine,
Debbie. Nein, Denise! Tschüs.« Nachdem sie das Telefonat beendet hatte, sagte
sie zu Iris oder vielleicht zu sich selbst: »Wenn er seine Frauen nicht ständig
gegen neuere Modelle eintauschen würde, käme ich besser klar.«
Iris betrat wortlos das Büro, schloß
die Tür und versteckte sich dahinter — außerhalb der Sichtweite des mit Rollos
verkleideten Fensters, das zum Flur hinaus lag. Sie stellte ihren Becher auf
die Ecke von Liz’ Schreibtisch.
Liz bekreuzigte sich und sagte: »Mann,
was für ein Tag!« Ihr Vater war italienisch-katholischer und ihre Mutter
russisch-jüdischer Herkunft, und Liz fand es praktisch, beide Religionen für
sich in Anspruch zu nehmen. Sie sah neugierig zu Iris, die ihren Rock angehoben
hatte und mühsam ihre Strumpfhose hochzerrte.
Iris kam jeglichen Kommentaren zuvor.
»Frag nicht.«
Liz öffnete eine Spraydose und sprühte
den Inhalt mit einer ausholenden Geste auf ihr Gesicht. Mehrere goldene und
diamantbesetzte Armreifen funkelten an ihrem zierlichen Handgelenk. Sie war
Mitte Vierzig, sah aber jünger aus. Sie war 1,73 Meter groß und schlank —
ausgesprochen dürr, um genau zu sein. Liz hielt an der Philosophie der Herzogin
von Windsor fest, derzufolge man nie zu reich oder zu dünn sein konnte. Sie
bestritt, sich je einer Schönheitsoperation unterzogen zu haben, obwohl sie,
dem Gerede im Büro nach zu urteilen, zumindest Brustimplantate hatte. Es war
schwierig, ihren Busen Cup C mit ihren Hüften der Größe 36 in Einklang zu
bringen.
Ihre langen, dunkelbraunen Haare waren
hochgesteckt, und nur einige Strähnen hingen herunter. Sie hatte große braune
Augen und volle Lippen in einem schelmischen Gesicht. Ihre Kleidung entsprach
immer den aktuellsten Modetrends und war ebenso auffällig wie ihre Kundschaft.
Liz war mit einem Top-Agenten von Hollywood, Ozzie Levinson, verheiratet. Ozzie
managte die Karrieren seiner großkalibrigen Kunden, während Liz deren Geld
managte. Man gab sich bei ihnen die Türklinke in die Hand.
Iris kämpfte mit ihrer engen
Strumpfhose und stolperte zu nah an Liz heran, die ihr ins Gesicht sprühte.
Iris blinzelte heftig. »Was...?«
»Schätzchen, das ist nur Mineralspray.
Du mußt deiner Haut Feuchtigkeit zuführen, sonst macht
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