Das Erbe der Phaetonen
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„Nur die Logik kann uns helfen“, meinte Mazkewitsch. „Nichts weiter!“
Wer war zuerst auf den richtigen Gedanken gekommen? Wahrscheinlich Semjonow. Jedenfalls war er der erste, der ihn aussprach. Einen ganz einfachen Gedanken. Kein Wunder, daß sie solange nicht darauf gekommen waren. Auf das Einfache kommt man immer am schwersten.
„Der blaue Ring mit dem gelben Kreuz“, sagte er, „ist kein Warnsignal. Er bedeutet dasselbe wie das entsprechende Zeichen im Raumschiff der Phaetonen.“
Nun wurde Wtorow in das einsame Laboratorium geholt, das inmitten dichten Waldes stand.
Zweifellos gab es auf der Erde noch viele Menschen, deren Bioströme denen der Phaetonen entsprachen. Aber man kannte sie vorläufig noch nicht. Nur von Wtorow wußte man es zu- verlässig.
„Lassen Sie die Kugel sich öffnen“, forderte Semjonow ihn auf.
Voller Spannung wartete die ganze Welt auf das Ergebnis des Versuchs.
Aber auch Wtorow erlebte ein Fiasko. Die Facettenkugel ver- änderte ihre Form nicht. Keine Öffnung kam zum Vorschein. Ein Anzeichen jedoch gab es, daß die geäußerte Vermutung richtig war.
Sobald Wtorow seine Gedanken konzentrierte, glommen in der Tiefe der Facetten die ihm wohlbekannten Funken auf. Es bestand kein Zweifel, die Kugel war „empfangsbereit“. In das tote Stück Metall war Leben gekommen.
Was erwartete die Kugel von dem Menschen? Was für einen „Befehl“?
Das Suchen begann. Tag für Tag saß Wtorow stundenlang vor der Kugel und erteilte ihr alle möglichen Befehle. Er strengte seine Einbildungskraft bis zum äußersten an. Alles vergebens. Ihm schien, die flimmernden Funken machten sich über seine Anstrengungen lustig. Die widerspenstige Kugel ge- horchte nicht.
Dann kam der fünfundzwanzigste Oktober 19 ..
Den vier Männern blieb dieses Datum für immer im Ge- dächtnis haften. Und nicht nur ihnen.
Das Geheimnis offenbarte sich.
Nachdem Wtorow alle Möglichkeiten erschöpft zu haben glaubte, stellte er sich, über seine fruchtlosen Bemühungen ver- zweifelt, beinahe unbewußt vor, die Kugel … fange an zu sprechen.
Im selben Augenblick vernahmen die vier eine Stimme. Rings- um herrschte vollige Stille. Kein Laut drang von außen ins Laboratorium. Aber jeder einzelne von ihnen vernahm deut- lich eine bekannte Stimme. Und sie sprach russisch.
Das schien phantastisch! Aber natürlich war alles sehr ein- fach. Einfach vom Standpunkt der Phaetonen aus. Ihre Bio- technik hatte ein hohes Niveau besessen. Dabei war sie ihnen so zur Gewohnheit geworden, daß sie meinten, auch für andere müsse sie ohne weiteres zugänglich sein.
Hinter jedem Wort steht ein Gegenstand oder ein Begriff. Wenn wir einen Satz hören, stellen wir uns, ohne daß wir es merken, den entsprechenden Gegenstand oder die entsprechende Handlung vor. Das Wort an und für sich, ohne diese Umsetzung, ist nur leerer Schall.
Aber Worte können nicht nur eine Vorstellung erzeugen, auch das Umgekehrte ist möglich: eine Vorstellung kann sich in Worte umsetzen und somit wahrgenommen werden. Jeder „hört“ dann diese Worte in seiner gewohnten Sprache, als ob er das Wahrgenommene selbst ausspräche.
Die Phaetonen hatten alles, was sie übermitteln wollten, in Form von Vorstellungen, Begriffen und Bildern in die Facetten- kugeln eingeschlossen. In welcher Sprache der künftige Hörer auch dachte, er mußte die chiffrierte Sprache der Phaetonen in seiner Muttersprache wahrnehmen.
In den einzelnen Sprachen klingen die Wörter verschieden, aber sie bedeuten ein und dasselbe. Einen Stuhl kann man mit Hilfe von Lautgruppen bezeichnen, die einander überhaupt nicht ähnlich sind, aber letzten Endes bezeichnen sie alle ein und den- selben Begriff: Stuhl, den Gegenstand, auf dem man sitzt. Ge- nauso ist es mit allem anderen.
Eine andere Frage ist, wie die Phaetonen ihre Mitteilungen fixierten. Wir haben uns daran gewöhnt, daß man Sprache auf Schallplatten und Tonbändern aufzeichnen kann. Wir wundern uns nicht, wenn sie lebendig aus einem toten Apparat ertönt. Aber Vorstellungen verstehen wir noch nicht aufzuzeichnen. Schon gar nicht so, daß sie auf gedanklichen Befehl zu „ertönen“ beginnen. Das ist eine Technik der Zukunft. Für uns. Für die Phaetonen aber war das eine Technik der Gegenwart, und sie bedienten sich ihrer. Das war einfach, logisch und rationell.
Die
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