Das Erbe der Phaetonen
gleichkam.
Und allmählich reifte in ihm ein Entschluß.
Er schrieb Kamow einen Brief. Darin bat er, man möge ihm als höchste Gunst erlauben, an der nächsten Expedition als ein- faches Mitglied teilzunehmen. „Ich habe meinen früheren Beruf nicht verlernt“, schrieb er, „ich bitte, mir die Filmaufnahmen zu übertragen. Ich weiß, daß ich der Bezeichnung Kosmonaut nicht mehr würdig bin, aber ich verspreche, alles daranzusetzen, wieder einer zu werden.“
Er erhielt keine Antwort darauf.
„Wenn wir wieder in Moskau sind“, sagte er zu seiner Frau, „reiche ich meine Kündigung ein und gehe für immer vom Kos- mischen Institut fort. Ich kehre zur Journalistik zurück.“
Olga sagte kein Wort und lächelte nur. Melnikow meinte, auch sie habe den Glauben an ihn verloren.
Die Lust, weiter an seinem Buch zu schreiben, war ihm ver- gangen, immer mehr verfiel er in Trübsinn. In den Zeitungen las er von den Vorbereitungen zu einer großen Expedition zweier Raumschiffe zur Venus und beneidete seine ehemaligen Kameraden glühend.
Seine ehemaligen! Er war überzeugt, daß sie auch von ihm als von einem „Ehemaligen“ sprachen.
Olga beobachtete ihren Mann aufmerksam. Auf Anweisung ihres Vaters tröstete sie ihn nicht und machte ihm auch keine Hoffnungen. Kamow hatte eine „moralische Quarantäne“ ver- ordnet. Sie schrieb dem Vater regelmäßig und hielt ihn über alles, was Melnikow sagte und tat, auf dem laufenden.
Der Urlaub neigte sich seinem Ende zu.
Eines Tages traf ein Brief vom Kosmischen Institut ein.
„Wahrscheinlich kommen sie meiner Absicht zuvor“, sagte Melnikow, während er den Umschlag in den Händen hin und her drehte. „Das ist bestimmt meine Entlassung.“
„Wozu herumraten?“ meinte Olga. „Lies doch lieber.“
Bereits nach den ersten Zeilen sprang Melnikow vom Stuhl auf. „Das ist doch nicht möglich!“
„... sagte ein Mann, als er im Zoo eine Giraffe sah.“ Olga schmunzelte.
Melnikow blickte sie erstaunt an.
„Weißt du denn, was drinsteht?“ fragte er.
„Gewiß“, antwortete Olga, immer noch schmunzelnd. „So lies doch!“
„Das ist häßlich von dir. Warum hast du mir nichts davon gesagt?“
„Dein Lehrer, das ist mein Vater, er hat es so angeordnet. Frag ihn selbst. Ich weiß nicht, was er damit bezweckte.“
Zum erstenmal in diesen sechs Wochen lächelte Melnikow.
„Sergej Alexandrowitsch hat wie immer recht. Seine Medizin hat angeschlagen.“
Dann las er laut vor: „In der Anlage übersenden wir Ihnen eine Kopie des Schreibens, mit dem das Kosmische Institut der Akademie der Wissenschaften der UdSSR Sie zum Leiter einer englisch-russischen Expedition zum Planeten Venus ernennt, und bringen hiermit unsere Freude und Genugtuung über diese dem allgemeinen Wunsch entsprechende Ernennung zum Ausdruck. Wir sind stolz darauf, daß Sie, der erprobte Kapitän und er- fahrenste Kosmonaut, bei dieser schwierigen, verantwortungs- vollen Arbeit an unserer Spitze stehen werden. Wir erwarten Sie!
Im Namen der Besatzung des Raumschiffs ,SSSR-KS 4' – Paitschadse.
Im Namen der Besatzung des Raumschiffs ,Prince of Wales' – Jenkins.“
Darunter war mit der Hand geschrieben: „Gratuliere! Freue mich und bin stolz auf Dich. Sergej Kamow.“
Und wieder glänzten in den Weiten des Alls, silbernen Punk- ten gleich, die metallenen Körper von Raumschiffen in den Strahlen der Sonne. Wieder traten Verstand und Wille des Men- schen zum Kampf mit dem Kosmos an, wenn auch vorerst noch in den Grenzen unseres Sonnensystems!
Aber die Zeit war nicht mehr fern, da selbst die Sonne für die Besatzungen der Raumschiffe zu einem kleinen Stern werden würde, da sich dem Menschen die Weiten des großen Univer- sums öffneten.
Unsere Erde ist klein. Nur wenig erblickt man durch den dichten Vorhang ihrer Atmosphäre, und dem Menschen wurde es zu eng auf ihr.
Schwach sind die Körperkräfte des Menschen. Aber seinem mächtigen Verstand ist alles erreichbar.
Wissenschaft und Technik ersetzen, was die Natur versagt hat.
Das Unmögliche wird selbstverständlich. Die Natur gibt eine Position nach der anderen auf.
Der Vormarsch des Geistes dauert an. Er wird weiter an- dauern, solange der Geist existiert. Und der ist ewig!
Epilog
Das Wort „Epilog“ bedeutet „Schlußwort“.
Weitere Kostenlose Bücher