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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Falkner standen mit dem Rücken zur Tür an einer Seite des Tisches, bewegten sich unruhig hin und her und redeten mit gedämpften Stimmen durcheinander.
    Inzwischen hatten auch die letzten beiden Falken ihre Nester verlassen und hockten auf dem Block. Überall lagen zerbrochene Eierschalen herum. Die meisten Jungvögel hatten die Wahl bereits getroffen und waren wieder in die Nester zurückgekehrt. Manche blinzelten schläfrig, andere schliefen.
    Nur ein einziges Jungtier saß noch mitten auf dem Tisch und konnte sich offensichtlich nicht entschließen, welchen der jungen Raiden es erwählen sollte. Die jungen Männer riefen und lockten es, doch der kleine Falke machte nur ein paar unbeholfene Hüpfer.
    »Da! Es kommt zu mir«, rief einer der Rekruten in diesem Augenblick. Keelin sah, wie er sich weit über den Tisch beugte und den Arm ausstreckte, weil sich der Falke ihm ein wenig genähert hatte. »Verdammt!« Fluchend zog der Junge die Hand zurück. »Es hat mich gebissen!«
    Schadenfrohes Gelächter erklang.
    »Macht ihr es doch besser!« Aufgebracht wandte sich der Rekrut um und starrte in die Runde. »Wenn ihr …«
    »Ruhe, verdammt noch mal!«, rief der Falkner über das allgemeine Durcheinander hinweg. »So wird das nie etwas. Das Junge ist ja schon ganz verstört.«
    Schweigen kehrte ein.
    Auch Keelin verhielt sich ganz ruhig. Dass er das Kurzschwert holen sollte, hatte er längst vergessen. Sorgsam darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit zu erregen, war er in der allgemeinen Unruhe hinter den Rücken der Rekruten dichter an den Tisch herangeschlichen. Alle waren so sehr mit dem letzten Falkenjungen beschäftigt, dass man ihn nicht bemerkte. Er wagte kaum zu atmen, während er in reichlich unbequemer Haltung versuchte, das Junge zu erspähen.
    »Da, jetzt kommt es endlich!«
    »Ja!«
    »Ja, hier!«
    »Komm her!«
    Die angehenden Falkner drängelten und beugten sich erneut über die Tischplatte. Es war das letzte Jungtier, und die Furcht, nicht erwählt zu werden, machte sie streitsüchtig.
    »Halt! Nicht anfassen!«, mahnte der Falkner. »Niemand fasst das Jungtier an, verstanden? Wie lange es auch dauern mag, es trifft seine Wahl selbst.«
    Ein leises Fiepen drang an Keelins Ohr.
    »Ah, verdammt, jetzt hat es mich auch gebissen!«, knurrte ein dicklicher Rekrut rechts von Keelin und starrte auf seinen blutenden Finger.
    »He, mich auch!« Der angehende Falkner neben ihm stieß einen wütenden Fluch aus. »Aber es ist eindeutig zu mir gekommen!«, behauptete er.
    »Nein, zu mir!«, warf der Dicke ein.
    Der kleine Falke gab erneut einen kläglichen Ton von sich.
    »Seltsam.« Der Falkner rieb sich nachdenklich das Kinn. In all den Wintern hatte er noch nie ein derart unentschlossenes Junges erlebt. »Merkwürdig, sehr merkwürdig«, murmelte er. »Es hockt genau zwischen euch beiden. Sieht fast so aus, als wollte es zwischen euch hindurch.«
    Wieder fiepte der kleine Vogel.
    »Hindurch?« Die beiden Rekruten tauschten verwunderte Blicke, drehten sich um – und erstarrten. »Gilians heilige Feder, wer bist denn du?«, fuhr der Dicke Keelin an.
    Die Wangen vor Scham gerötet, richtete Keelin sich auf. Am liebsten hätte er auf der Stelle kehrt gemacht, aber für eine Flucht war es längst zu spät. Alle starrten ihn an, und er wusste nicht, was er sagen sollte.
    Das gibt Ärger. Großen Ärger!, schoss es ihm durch den Kopf. Der Stallmeister wird mich aus der Bastei werfen, oder schlimmer noch, einkerkern, oder … Keelin schwieg. Unter den feindseligen Blicken der jungen Raiden und des Falkners war es ihm unmöglich, auch nur einen halbwegs vernünftigen Satz hervorzubringen.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sich das Falkenjunge gefährlich nahe auf die Kante des Steintisches zu bewegte. Es ruderte mit den zarten, flaumigen Flügeln und hopste unbeholfen voran, doch gerade auf die Tischkante zu.
    Ohne lange zu überlegen, machte Keelin einen Satz nach vorn und hielt die Hand dicht an die Tischkante, um den kleinen Falken vor dem sicheren Sturz zu bewahren. Keinen Augenblick zu früh! Kaum dass er zur Stelle war, stieß sich der Jungvogel Flügel schlagend von der Tischplatte ab – und landete sicher auf Keelins Hand.
    Im Bruthaus war es so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören können. Die Rekruten starrten Keelin an, als hätte er gerade den schlimmsten Frevel begangen, dessen man sich in Nymath schuldig machen konnte. Sich der peinlichen Lage bewusst, schaute Keelin betroffen in die Runde.

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