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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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antwortete nicht. Sie hatte die Arme um Keelin geschlungen und das Gesicht an seiner Brust vergraben. Sie spürte die Nähe der Wunand und hörte den Klang ihrer Stimme, aber sie war nicht bereit, Keelin freizugeben.
    In Gedanken sah sie ihn noch einmal mit rußverschmiertem Gesicht auf sich herabblicken, wie damals, als er sie aus der brennenden Hütte in Lemrik gerettet hatte. Sie sah ihn mit Horus im Tal der Vaughn, wie er den Falken mit dem Federspiel abrichtete. Als sei es gestern gewesen, erinnerte sie sich an den ersten schüchternen Kuss, den Oona so unglücklich beendet hatte, und an die zärtliche Erfüllung, die sie unter dem Sternenhimmel Andauriens mit ihm erlebt hatte. Sie fühlte Horus noch einmal sanft an ihren Haaren zupfen, so wie damals, als Keelin sie am Ufer des Arnad gefunden hatte.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Ajana begriff, dass es keine Erinnerung war. Jemand zupfte an ihren Haaren.
    Horus?
    Blind von Tränen, hob sie den Kopf und schaute sich um. Der Falke war wirklich gekommen. Als Ajana sich aufrichtete, sprang er von ihrer Schulter und landete Flügel schlagend neben Keelin auf dem Boden. Zögernd näherte er sich der reglosen Gestalt und knabberte anrührend zärtlich an den Haaren des Falkners.
    »Du kannst ihm nicht helfen.« Ajanas Stimme war rau und von Kummer gezeichnet. Sie wollte Horus verscheuchen, doch als sie die Hand hob, wurde sie jäh zurückgehalten.
    »Warte!« Selbst über das pulsierende Rauschen des Blutes in ihren Ohren hinweg erkannte Ajana die Stimme.
    »Asza?« Sie wischte die Tränen fort und schaute sich um. Aileys und die anderen waren zurückgewichen und starrten voller Ehrfurcht auf die schöne, dunkelhaarige Frau, die wie aus dem Nichts neben Ajana aufgetaucht war.
    »Asza! Dem Himmel sei Dank. Ihr seid da!« Hoffnung flackerte in Ajanas Augen auf »Bitte«, rief sie und deutete auf Keelin. »Ich flehe Euch an, rettet ihn. Ich weiß, dass Ihr es könnt. Ihr habt auch mir schon einmal den Weg gewiesen.«
    »Dein Wunsch ist so alt wie die Liebe selbst.« Asza lächelte verständnisvoll. »Wie oft wurden Tränen vergossen, wie oft die Götter angefleht, dem Geliebten ein neues Leben zu schenken. Doch ist es allein das Schicksal, das bestimmt, wann es für die Sterblichen Zeit ist zu gehen.«
    »Aber Ihr seid das Schicksal«, entgegnete Ajana hitzig. »Es war ein Unglück. Ein dummes Missverständnis. Keelin verfolgte das gleiche Ziel wie die Streiterin, die ihn tödlich verletzte. Beide wollten …«
    »… die Felis retten«, beendete Asza den Satz an Ajanas Stelle. »Ich weiß, was geschehen ist.« Sie hob den Arm, als gebe sie jemandem ein Zeichen. »Der Tod«, fuhr sie fort, »ist ein natürlicher Bestandteil des Seins. Das Sterben beginnt kaum, dass ihr den ersten Atemzug getan habt. Ihr kommt und ihr geht, hinterlasst Spuren oder werdet vergessen. Das war schon immer so und wird immer so bleiben. Wer den Fluss der Seelen einmal betreten hat, darf ihn nicht mehr verlassen. So lautet das Gesetz.«
    »Aber …« Ajana fing den strengen Blick der Göttin auf und verstummte.
    »In diesem Fall jedoch«, fuhr die Göttin fort, »ist es mir gegeben einzugreifen.« Lächelnd streckte sie den Arm aus, pflückte etwas aus dem verdorrten Blätterdach des Götterbaums und hielt es Ajana hin. Es war eine strahlend weiße Blüte. »Der Götterbaum verdorrt«, sagte sie mit einem Anflug von Trauer in der Stimme. »Auch sein Sterben ist nicht aufzuhalten. Doch mit seinen letzten Kräften bringt er dem Volk Andauriens die lang ersehnte Botschaft. Callugar ist zurückgekehrt. Die anderen Götter werden folgen. Gemeinsam werden sie dafür Sorge tragen, dass der Verräter niemals mehr ein Volk in blutiger Tyrannei knechten wird. Dessen sei gewiss.« Sie verstummte, um Atem zu schöpfen, und sagte dann: »Du hast mir einen großen Dienst erwiesen, Ajana. Hättest du das Runenamulett nicht nach Andaurien getragen, der Ausgang der Schlacht wäre mehr als ungewiss gewesen. Die Gier der Hohepriesterin nach der Macht der Runen war ihre große Schwäche und ihr Verderben. Sie war die Mächtigste von allen. Der Kopf der Schlange, die Andaurien im Würgegriff hielt. Ihre Macht über das Feuer machte sie unsterblich. Am Ende jedoch war es das Feuer, das sie tötete. All das wäre ohne dich nicht möglich gewesen. Zum Zeichen meiner Dankbarkeit werde ich den Hüter des Seelenflusses aufsuchen und ihn ersuchen, die Seele des Falkners freizugeben.«
    »Das würdet Ihr wirklich tun?«

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