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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin
Autoren: Monika Felten
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werde es wieder gutmachen!« Yenu ballte die Fäuste und löste sich aus dem Schatten des Hauses. »Ich werde die Felis retten«, sagte sie zu sich. »Und wenn ich mein eigenes Leben dafür geben muss.«
    Dieser Gedanke war es gewesen, der sie aus der Lethargie gerettet hatte. Im festen Glauben, durch eine Heldentat wie die Rettung der Felis ihr Seelenheil wiederzufinden, hatte sie sich auf den Weg zur Tempelstadt gemacht. Dabei hatte es sie nicht gekümmert, dass sie sich hoffnungslos verlaufen hatte. Sie war einfach in eine Richtung losmarschiert.
    … und jetzt war sie angekommen.
    Yenu spürte, wie die Entschlossenheit erneut in ihr aufloderte. Sie hatte die Tempelstadt gefunden. Nur würde alles gut werden.
    Die Stadt empfing sie mit einer Stille, die mehr war als nur die Abwesenheit von Leben. Es war die Stille, die etwas Schrecklichem folgte. Die Stille des Todes.
    Irgendwo rief ein Nachtara. Es klang wie ein Lachen.
    Der Ruf weckte Erinnerungen in ihr, und wie damals, als alles begonnen hatte, nahm sie ihn auch diesmal wieder als Zeichen dafür, dass sie nicht allein war, während sie auf der Suche nach Leben durch die verlassenen Gassen taumelte.
    Nach einer Zeit, die sie nicht ermessen konnte, entdeckte sie einen Feuerschein, eine rote Kuppel in der Ferne, wie von Hunderten Fackeln. Ein Zeichen von Leben! Yenu sammelte noch einmal ihre Kräfte und hielt darauf zu.
    Was sie erblickte, als sie zwischen den letzten Häusern hindurchspähte, verschlug ihr den Atem. Überall brannte es. Häuser und Hütten, ja sogar Tempel standen in Flammen. Auf einer weitläufigen, von Fackeln erhellten Freifläche lagen Tote. Nicht ein Dutzend und nicht zwei Dutzend – Hunderte, wenn nicht gar Tausende.
    Yenu erstarrte. Was war hier geschehen?
    Unfähig, das volle Ausmaß dessen zu begreifen, was ihre Augen erblickten, stolperte Yenu über das Schachtfeld. Sie wusste nicht, wohin sie ging und was sie suchte. Sie ging einfach weiter, ohne nachzudenken.
    Ganz unvermittelt spürte sie eine Berührung an ihrem Bein. Finger, die sich um ihren Knöchel schlossen. Ein eisiger Schrecken durchzuckte sie. Abrupt blieb sie stehen, wagte es aber nicht, zu Boden zu sehen.
    »Hilf mir!« Die Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. »Bitte, hilf mir.« Yenu zögerte noch einen Herzschlag lang, dann nahm sie all ihren Mut zusammen und sah nach unten.
    Es war eine Frau, kaum älter als sie selbst. Die dunklen Haare waren von geronnenem Blut verklebt, und im Oberschenkel klaffte eine lange Schnittwunde.
    »Hilf mir!«, krächzte die Frau noch einmal mit brüchiger Stimme.
    Yenu kniete nieder. Sanft löste sie die verkrampfte Hand der Verletzten von ihrem Fußknöchel und hielt sie fest.
    »Keine Sorge«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich helfe dir.« Sie blickte der Verletzen in die Augen und stutzte. Sie hatte diese Frau schon einmal gesehen. In einer Zeit, die, wie es schien, schon eine Ewigkeit zurücklag. In einem anderen Leben … Damals, als sie sich aufgemacht hatte, nach Wilnu zu suchen, war sie mit ihrem Djakûn gekommen und hatte sie zur Melva-Nnab, zur Höhle der Katzenfrauen geführt. Yenu spürte, dass dieses Treffen kein Zufall war. Nachdem sie so viele Fehler gemacht hatte, gaben die Götter ihr die Gelegenheit, einen Teil ihrer Schuld wieder gutzumachen – und diesmal würde sie sie nicht enttäuschen.
    »Du bist eine Nuur!« Es war eine Feststellung und keine Frage.
    Die Verletzte nickte. »Suara.«
    »Kannst du aufstehen, Suara?«
    Die Nuur nickte schwach. »Ich werde es versuchen.«
    »Gut, ich helfe dir.« Yenu riss einen Stoffstreifen aus ihrem Gewand und band das verletzte Bein damit ab, um den Blutstrom zu stillen. Dann reichte sie der Nuur die Hand.
    »Das wird nicht leicht werden«, sagte sie, während sie Suara aufhalf. »Hier liegen überall Tote. Aber keine Sorge, gemeinsam werden wir es schaffen. Du wirst wieder gesund werden, darauf hast du mein Wort.«

 

     
     
     
     
     
    Über den schwelenden Ruinen der Tempelstadt zog der Morgen herauf. Hinter den Bäumen im Osten sandte die Sonne die ersten Strahlen über den Himmel, während der Silbermond im Westen langsam verblasste. Zwischen den Bäumen bildete sich Dunst, und die Vögel hoch oben in den Wipfeln begrüßten die Rückkehr von Licht und Wärme mit schmetterndem Gesang.
    Ajana erschien es wie reinster Hohn.
    Wie konnte die Sonne scheinen? Wie die Vögel singen und die Welt ringsumher voller Lebensfreude sein, wenn in ihr alles dunkel und trostlos
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