Das Erbe des Bösen
Abteilung Weltraumgeologie aus der russischen Raumfahrtbehörde
Roskosmos
, der Forschungsleiter des Sojus-Raketenunternehmens
NPO Energia
sowie ein Bereichsleiter des Gas- und Ölkonzerns
Gazprom
.
Oberst Woronin, der die Versammlung leitete, war zufrieden mit sich. Es war die richtige Entscheidung gewesen, die Mitteilung von Baryschnikow ernst zu nehmen, obwohl damals nur eine schwache Ahnung von der Bedeutung jenes Hinweises von Katharina Kleve existiert hatte. Die Frau hatte erzählt, dass Rolf Narva sie im Pflegeheim besucht und dabei von einer Kassette gesprochen hatte, die so etwas wie ein Testament sei und auf der er alles erzählte.
Kleve und Baryschnikow hatten beide gewusst, dass Narva in der Kartei des GRU nach wie vor als Informationsquelle mit Toppriorität geführt wurde, denn man vermutete, dass er über bedeutsame Kenntnisse aus den Apollo-Jahren verfügte, die bis heute geheim geblieben waren.
Oberst Woronin hatte also sicherheitshalber über die Botschaft in Helsinki Mitarbeiter in Narvas Wohnung geschickt, um nach der Kassette zu suchen. Sie fanden sie nicht, aber stattdessen fanden sie die Buchungsbestätigung eines Berliner Hotels und die Kontaktdaten von Narvas Rechtsanwalt. Narvas Hotelzimmer in Berlin wurde ergebnislos überpüft, das Gleiche galt |516| für Erik Narvas Zimmer im selben Hotel. Später wurde das Büro von Rechtsanwalt Tirkkonen in Augenschein genommen, und dort fand sich dann die DH L-Quittung für eine Sendung an Erik Narva in England.
Es war offensichtlich, dass Rolf Narva in Berlin in etwas hineingezogen worden war, von dem Woronin nichts wusste, und dessen Charakter sich dem GRU nicht erschloss. Sie interessierten sich nur für die Kassette. Den Schwerpunkt der Suche danach verlegten sie nach England, in die Wohnung von Erik Narva, erweiterten den Radius dann aber auf das Haus von dessen Mutter. Als der GR U-Mitarbeiter dort eintraf, stand das Haus bereits in Flammen, aber der Kollege sah Erik Narva mit seiner Frau und seiner Mutter im Wagen eines unbekannten Mannes davonfahren. Der GR U-Mitarbeiter folgte ihnen, da er das Haus nicht mehr betreten konnte, und wurde dadurch Zeuge der Ereignisse, die letztlich unter nahezu chaotischen Umständen zur geglückten Übernahme der Kassette führten.
Jetzt kam das Band an die Stelle, die Woronin nicht oft genug hören konnte.
»Ich werde bei diesem Thema nicht ins Detail gehen, Erik, denn der Fachbereich ist dir fremd. Doch in groben Zügen sieht es so aus: Im Jahr 1951 begann die Armee der Vereinigten Staaten mit geheimen Forschungen zu einem Fusionsreaktor. Sechs Jahre später wurde ein Teil der Forschungsergebnisse öffentlich gemacht. Man begann, nach passendem Brennmaterial für den Fusionsreaktor zu suchen. Ein absolut überlegener Kandidat wäre ein leichtes Heliumisotop namens Helium-3 gewesen, aber davon gibt es auf der Erde nur sehr geringe, an Mineralien gebundene Mengen. Man war also gezwungen, sich auf Deuterium und Tritium zu konzentrieren, die aber mit Blick auf den Fusionszweck wesentlich schwächer waren.«
|517| Die Russen, die um den Tisch herum saßen, sahen einander an und nickten, mit aufmerksamen Mienen.
»Bis man 1965 feststellte, dass in dem aufgespaltenen Meteoriten, den man als ›Probe‹ des Apollo-Flugs beschafft hatte, Helium-3 gebunden war. Das gab den Anlass, den Mondgesteinsproben, die Apollo 11 als erstes mitbrachte, mit besonderem Interesse zu begegnen. Und tatsächlich wurden die Erwartungen honoriert: Auf dem Mond schien es eine bedeutende Menge Helium-3 zu geben, mehr als in einem Meteoriten . . .«
Die Fachleute lächelten zufrieden. Jener Satz, jene wenigen Worte waren an sich schon Lohn genug für all die Arbeit und all das Geld, die in die Beschaffung von Narvas Kassette gesteckt worden waren.
»In NASA- und Armeekreisen gingen wir der Sache heimlich auf den Grund, denn Helium-3 ermöglichte im Prinzip auch sehr weite Weltraumflüge. Weiteren Wissenschaftskreisen wurde der Zusammenhang von Helium-3 und der Fusionsforschung erst 1985 zugänglich gemacht. Und jetzt, da man damit begonnen hat, um die letzten Gas- und Ölvorräte der Erde zu konkurrieren, richten sich die Blicke erneut zum Mond. Seine Helium- 3-Vorkommen bieten praktisch eine unbegrenzte Menge sauberer, sicherer Energie. Aber das bedeutet leider, dass auch das Wettrennen zum Mond wieder Formen wie im Kalten Krieg angenommen hat. Denn zur wahren Weltmacht kann nur das Land aufsteigen, das über
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